Im Februar werden die Tunnelbohrmaschinen «endlich die imposanten Felsmassen» durchqueren – das schreibt das Bundesamt für Strassen (Astra) zum Bau der zweiten Gotthardröhre.
Was die Öffentlichkeit bisher nicht weiss: In den besagten Felsmassen ist das Astra beim Bohren eines Zugangsstollens auf arsenhaltiges Gestein gestossen.
Arsen im See versenkt
Das Bundesamt wurde vom Arsen-Fund offenbar überrascht. Der Gesamtprojektleiter der zweiten Gotthardröhre, Udo Oppliger, sagt zur «Rundschau»: «Gemäss dem geologischen Bericht sollten wir kein Arsen finden.»
Zudem wurden 3000 Tonnen dieses belasteten Materials 2023 im Urnersee versenkt – im Rahmen eines Renaturierungsprojekts des Kantons Uri. Als das Analyseresultat vorlag, war dieses belastete Material bereits im See versenkt. Danach hat das Astra die Transporte an die Seeschüttung zwischenzeitlich gestoppt.
Das Renaturierungsprojekt heisst «Seeschüttung». Weil im Reuss-Delta seit langem Kies abgebaut wird, sind ursprüngliche Flachwasserzonen verschwunden. Diese sollen mit Schutt aus dem Tunnelbau wiederhergestellt werden.
Insgesamt 4.9 Millionen Tonnen Ausbruchsmaterial sollen im See versenkt werden, 3.5 Millionen Tonnen davon aus dem Gotthard. Die Urner Regierung will so die biologische Vielfalt im Reuss-Delta fördern. Und das Astra wird den Schutt günstig los, weil es Deponie-Kosten sparen kann.
Kanton zieht Reissleine
Das giftige Schwermetall Arsen kommt natürlicherweise im Gestein vor. Gelangt der Bohrschutt in den See, können sich die Arsenpartikel im Wasser auflösen und den Giftstoff freisetzen. Als klar wird, dass ein Teil des Materials mit Arsen belastet ist, zieht der Kanton Uri die Reissleine. Er lässt eine Risikoabschätzung erstellen. Das Resultat: Bis zu 400'000 Tonnen des Gotthardmaterials sind Arsen-belastet.
Das Urner Amt für Umwelt will diesen Schutt nicht in den See kippen. Dies wäre «in Anbetracht des Schadenspotentials nicht verhältnismässig und auch […] nicht bewilligungsfähig», heisst es in der Analyse. «Wir machen da eine Renaturierung, eine Revitalisierung», sagt Umweltchef Alexander Imhof. Da wolle man, dass «möglichst wenig Beeinträchtigung» entsteht. Nun wird unbelastetes Ausbruchmaterial in den See gekippt.
«Seit 50 Jahren bekannt»
Dass das Astra kein Arsen im Gotthard erwartet hat, erstaunt den Leiter der Mineralienaufsicht des Kantons Uri, Peter Amacher. «Das weiss man schon seit mehr als 50 Jahren, seit dem Bau des ersten Tunnels.» Arsenopyrit-Kristalle, die beim Bau des ersten Gotthardtunnels gefunden wurden, sind heute begehrte Sammlerstücke.
Das belastete Ausbruchmaterial bleibe nun im Tessin, erklärt das Astra gegenüber der «Rundschau». Statt es im Urner See zu versenken, wird es für den bereits geplanten Dorfpark Airolo verwendet. Dieser soll auf einer Überschüttung der Autobahn entstehen. Die Tessiner Behörden seien mit dieser Lösung einverstanden, erklärt das Astra.
Bei der grünen Nationalrätin Greta Gysin wirft das Vorgehen indes Fragen auf. Sie reicht am Donnerstag im Parlament eine Interpellation zum Thema ein.