Wenn sich Eltern trennen, ist das für Kinder ein einschneidendes Erlebnis. Insbesondere, wenn es zwischen den Eltern Streit gibt. Wenn sie sich beispielsweise nicht auf einen Wohnort, auf Erziehungsgrundsätze oder auf das Sorgerecht einigen können.
«Das Problem ist, dass diese Konflikte meist zu lange dauern. Damit ist das Wohlbefinden der Kinder in Gefahr», sagt Estelle Papaux, Vorsteherin des Freiburger Jugendamts. Um die Kinder zu schützen, führt der Kanton Freiburg nun ein sogenanntes Elternkonsens-Modell ein.
Bei diesem Modell stehen die Interessen der Kinder im Mittelpunkt. Ihr Wohlergehen und ihre Entwicklung sollen geschützt werden. Und zwar mit einer konsensbasierten, auf das Kind ausgerichteten Begleitung.
Gericht konzentriert sich auf das Kind
«Als Erstes hört das Gericht dem Kind zu», sagt die Verantwortliche des Projekts, Cilgia Caratsch. Das sei wichtig: «Der Richter oder die Richterin soll nicht vom Narrativ der Eltern beeinflusst werden, sondern soll sich auf das Kind konzentrieren und ihm zuhören: Wie geht es ihm, was wünscht es sich.»
Im Idealfall können sich Eltern schnell einigen, ohne jahrelangen Streit und ohne Gerichtsprozess.
Das Ziel sei, möglichst rasch eine Lösung für die Kinder zu finden. Und zwar indem die Eltern eine Vereinbarung unterschreiben. In dieser steht, wo das Kind wohnt, wer wofür verantwortlich ist und es können auch begleitende Massnahmen festgelegt werden. Wie beispielsweise ein Coaching für die Eltern oder psychologische Betreuung für die Kinder.
«Im Idealfall können sich Eltern schnell einigen, ohne jahrelangen Streit und ohne Gerichtsprozess», sagt Cilgia Caratsch. Denn: «Nicht die Trennung an sich ist für die Kinder schwierig, sondern die jahrelangen Konflikte bei einer Trennung.»
Neues Modell beschert mehr Aufwand
Das Elternkonsens-Modell sieht unter anderem kostenlose Beratungen vor, schneller abgewickelte Scheidungsverfahren und bessere Kommunikation der Eltern dank Mediation.
Bei diesem Elternkonsens-Modell haben vor allem die Mitarbeitenden der Freiburger Bezirksgerichte mehr Aufwand. Sie sind es, die die Verhandlungen durchführen und die Vereinbarungen zwischen den Eltern abschliessen.
Mit diesem Projekt können längerfristig Gerichtsprozesse verhindert werden.
Aktuell sind bei den Freiburger Gerichtsbehörden für diesen Mehraufwand keine neuen Stellenprozente vorgesehen, obwohl die Freiburger Justiz bereits überlastet ist. Für den zuständigen Staatsrat Romain Collaud (FDP) ist das kein Widerspruch: «Mit diesem Projekt können längerfristig Gerichtsprozesse verhindert werden.»
Positive Erfahrungen aus dem Wallis
Was Freiburg nun einführt, ist im Kanton Wallis bereits gang und gäbe: Im Unterwallis wird das Modell seit vier Jahren angewendet. Auch im Waadtland läuft das Projekt. Verantwortlich dafür ist der Internationale Sozialdienst Schweiz, dessen Direktorin Cilgia Caratsch ist.
«Die Erfahrungen im Wallis und Waadtland zeigen: Es funktioniert», sagt Cilgia Caratsch. «Eltern finden dank dieses Elternkonsens-Modells schneller eine Lösung und es enden weniger Scheidungen vor Gericht.»