Man muss es sich endlich eingestehen: Die Schweiz tut sich mit der Digitalisierung ausserordentlich schwer. Das Debakel um die Plattform meineimpfungen.ch ist nur das jüngste Beispiel in einer langen Liste des Scheiterns.
Das Volk schickt die elektronische ID bachab. Das elektronische Patienten-Dossier ist eine unendliche Geschichte. Die Corona-Tracing-App kommt erst nach der ersten Welle. Das ganze Land witzelt über das Faxgerät des BAG, Impf-Anmeldungssysteme brechen sofort zusammen. Der 5G-Ausbau wird mit teilweise Fakten-freier Argumentation behindert. E-Voting erleidet mehrmals Schiffbrüche.
Beim Bund scheitern interne IT-Projekte so spektakulär, dass Millionen verloren gehen. Ruag, VBS oder EDA werden von Hackern angegriffen und erleiden zum Teil schwerwiegende Verluste.
Digitalisierung ist ein historischer Umbruch
Neidisch in andere Länder zu schielen, kann zwar auch trügerisch sein. Die südkoreanische Tracing-App beispielsweise war wirkungsvoller und stand schneller bereit. Doch die Bevölkerung nahm massive Eingriffe in die Privatsphäre in Kauf, die hierzulande absolut chancenlos gewesen wären.
Trotzdem: Was in Ländern wie Estland ganz gut geht, ist offenbar in der Schweiz besonders anspruchsvoll. Ja, die Digitalisierung ist ein historischer Umbruch. Sie fordert und überfordert alle, nicht nur die Schweiz. Aber man macht sich hier das Leben extra schwer.
Die Krux mit Föderalismus und direkter Demokratie
Föderalismus und Abseitsstehen in Europa führen dazu, dass der erste Reflex jedes Mal ist, es im Kanton oder gar der Gemeinde selber zu machen, es ja auch besser zu können, nur um dann später einzusehen, dass es so nicht geht.
Die direkte Demokratie führt dazu, dass Diskussionen um komplexe technische Sachverhalte regelmässig in Symbolik abgleiten und Abstimmungsresultate Politik und Verwaltung auf dem falschen Fuss erwischen.
Die Angst vor eben solchen Ausrutschern führt dazu, dass schon gewonnen geglaubte Abstimmungskämpfe halbherzig geführt, technische Komplexitäten nicht genügend erklärt und ausgewiesene Experten oft viel zu spät in die Diskussion einbezogen werden. Und obwohl die Schweiz bei jeder Gelegenheit ihre Hochschulen und ihre Hightech-Affinität betont, findet sich dann in einzelnen Projekten manchmal erschreckend wenig Fachkompetenz.
Es muss schneller gehen
Das ist aber nicht eine Frage des Könnens, sondern des Willens. Digitalisierungs-Vorgängen muss eine deutlich höhere Priorität beigemessen werden. Sie müssen besser erklärt und international abgestützt werden. Es müssen mehr Ressourcen gesprochen werden. Es müssen mehr gute Leute rekrutiert werden.
Und es muss schneller gehen. Digitale Projekte, die unseren Alltag direkt betreffen, dürfen nicht länger behandelt werden, als wären sie optional und dürften nichts kosten. Die Zukunft ist digital – wer noch länger schläft, setzt den Wohlstand aufs Spiel.