Der Medienkonzern Ringier muss alle Zahlen auf den Tisch legen, die im Zusammenhang mit vier Artikeln stehen, die 2014 und 2015 über die damalige Zuger Kantonsrätin Jolanda Spiess-Hegglin in der Boulevardzeitung «Blick» und auf «blick.ch» erschienen sind. Das hat das Zuger Kantonsgericht entschieden.
Konkret verlangt das Gericht Angaben zu den Anzahl Klicks auf die Onlineartikel, sowie Zahlen zu den Computern und Handys, von denen aus die Artikel gelesen wurden. Ringier muss ausserdem Informationen zu den Werbeeinblendungen und den verkauften Printausgaben liefern. Damit soll berechnet werden, wie viel Ringier mit den vier Artikeln verdient hat.
Bei diesen Artikeln ging es um die Zuger Landammannfeier von 2014. Nach der offiziellen Feier kam es zwischen Jolanda Spiess-Hegglin und einem Kantonsratskollegen zu einem Sexualkontakt. Der «Blick» berichteten danach prominent über Spiess-Hegglin.
Gericht sieht Spiess-Hegglins Persönlichkeit verletzt
«Blick»-Herausgeberin Ringier war in dieser Sache schon 2020 wegen Persönlichkeitsverletzung verurteilt worden. Im Januar 2022 machte die Anwältin von Spiess-Hegglin vor dem Kantonsgericht geltend, dass ihre Mandantin durch fünf weitere Artikel in ihrer Persönlichkeit verletzt worden sei. Ringier müsse den damit erzielten Gewinn herausgeben.
Wie aus dem Urteil hervorgeht, stuft das Kantonsgericht die fünf Artikel als persönlichkeitsverletzend ein. Allerdings: In einem der Artikel sei die Verletzung in einem öffentlichen Interesse gestanden und damit gerechtfertigt gewesen. Bei den anderen vier Artikeln dagegen sei die Persönlichkeitsverletzung widerrechtlich gewesen.
Artikel haben zur «Absatzförderung» beigetragen
Diese vier Artikel wiederum hält das Gericht «aufgrund ihrer Aufmachung und Ausrichtung» als geeignet, «zur Absatzförderung beizutragen», heisst es im Urteil. Es sei daher glaubhaft, dass sie sich positiv auf den Geschäftserfolg von Ringier ausgewirkt hätten.
Das Gericht verpflichtet den Verlag daher, «sämtliche Informationen zur Eruierung und Abschätzung des erzielten Gewinns offenzulegen». Nach der erfolgten Herausgabe sei es an Spiess-Hegglin, ihren Anspruch am Gewinn zu beziffern.
Spiess-Hegglin ist erleichtert, Ringier prüft Anfechtung
Der Medienkonzern Ringier nimmt den Entscheid des Zuger Kantonsgerichts zur Kenntnis, wie es in einer schriftlichen Stellungnahme heisst. Es sieht aber nicht so aus, als lasse Ringier den Entscheid auf sich sitzen: Auf einen Teil von Spiess-Hegglins Anträge sei das Gericht nicht eingetreten, heisst es in der Stellungnahme, ein Teil sei abgewiesen worden. Und: «Wir prüfen eine Anfechtung.»
Jolanda Spiess-Hegglin dagegen zeigt sich «erleichtert über diesen Meilenstein». Das Urteil sei einschneidend für alle Titel, die «Klick-Baiting» betrieben, sagt sie – also mit reisserischen Überschriften versuchen, das Publikum auf ihre Online-Artikel zu bringen.
Boulevardgeschichten können teuer werden
Diese Einschätzung teilt SRF-Medienredaktor Rafael von Matt. «Es gab zwar schon Fälle, in denen Opfer von Medienkampagnen eine Entschädigung erhalten haben – doch dass der konkrete Gewinn aus Artikeln berechnet wird, das ist ein Novum», sagt er.
Und zwar eines, das allen Medienhäusern zu denken geben müsse, die auf «Sex and Crime» setzten: «Nach einem solchen Gerichtsentscheid können für sie Artikelserien über ein einzelne Person teuer werden.» Boulevardmedien dürften darum künftig vorsichtiger werden, schätzt von Matt.