Die Schweiz setzt auf die Applikation der österreichischen Justiz, um ihre elektronischen Gerichtsakten zu verwalten. Österreichische Informatikerinnen und Informatiker helfen der Schweiz, den Code zu «helvetisieren». Ist das problematisch? Antworten von SRF-Gerichtskorrespondentin Sibilla Bondolfi.
Die Schweiz digitalisiert die Justiz. Was heisst das?
Die Zeiten von Aktenbergen sind vorbei. Zukünftig sollen Gerichtsakten elektronisch geführt werden. Und Anwältinnen sollen ihre Eingaben nicht mehr per Brief, sondern über eine elektronische Plattform einreichen.
Inwiefern hilft Österreich der Schweiz bei der Digitalisierung?
Die Schweiz übernimmt die Applikation, welche die österreichische Justiz bereits nutzt. Österreichische Entwicklerinnen und Entwickler helfen der Schweiz, den Code ihren Bedürfnissen anzupassen. Zum Beispiel müssen Akten in der Schweiz auf Französisch, Italienisch und Deutsch geführt werden können.
Ist die Mitarbeit österreichischer Staatsangestellter problematisch?
Wenn österreichische Entwickler an sensible Schweizer Daten gelangten, wäre das problematisch, denn sie sind dem Weisungsrecht Österreichs unterstellt. Der österreichische Geheimdienst könnte also beispielsweise von ihnen verlangen, dass sie Schweizer Amtsgeheimisse ausplaudern. Die Schweiz hat aber technisch sichergestellt, dass österreichische Mitarbeitende gar keinen Einblick in Schweizer Gerichtsfälle haben.
Die Schweiz darf den Code weiterentwickeln.
Für die Schweiz ist auch wichtig, den Code selbständig nutzen zu können und nicht abhängig zu sein von Österreich. Diese Garantie hat Österreich der Schweiz gegeben. Die Schweiz darf den Code weiterentwickeln.
Wird die österreichische Applikation bald in der ganzen Schweiz genutzt?
Nicht ganz. Zwar haben die meisten Kantone die Absicht geäussert, die österreichische Applikation zu nutzen, aber es gibt drei Ausnahmen: die Gerichte von Basel-Stadt, die Bundesanwaltschaft und das Bundesgericht. Es machen aber genügend Gerichte und Staatsanwaltschaften mit, dass sich die Investitionen von insgesamt 39 Millionen Franken gelohnt haben.
Warum macht das Bundesgericht nicht mit?
Beim Bundesgericht landen Fälle aus dem ganzen Land. Deshalb ist es besonders wichtig, dass die Informatiklösungen kompatibel sind. Das ist laut Bundesgericht der Fall: Das Bundesgericht verfüge bereits über ein e-Dossier und nutze dazu eine eigene Informatiklösung, die zu 100 Prozent kompatibel mit der Plattform sei. «Eine Schnittstellenproblematik besteht nicht.» Die Umstellung auf die österreichische Justizapplikation würde unnötige zusätzliche Kosten verursachen, so das Gericht.
Was sind die nächsten Schritte im Prozess der Digitalisierung?
Ab April sind Pilotversuche mit einzelnen Gerichten und Staatsanwaltschaften geplant. Und das Parlament entscheidet dieses Jahr über das erforderliche Gesetz.