Es ist unbestritten: Winterpneus sind auf schneebedeckten oder vereisten Strassen eigentlich ein Muss. Fachverbände wie ACS oder TCS können sie jedoch nur empfehlen und nicht vorschreiben.
Doch nach dem massiven Wintereinbruch zeigt sich, dass auch in diesem Jahr einige Autofahrerinnen oder Autofahrer mit Sommerpneus unterwegs waren – und zum Teil stecken blieben. Dadurch behindern sie die Schneepflüge und tragen zum Verkehrschaos mit Hunderten Unfällen bei. Braucht die Schweiz also ein Obligatorium?
Minimalprofil von vier Millimetern
Ein Automobilist müsse sein Fahrzeug jederzeit beherrschen können. Zudem müsse das Auto sicher sein, heisst es beim Bundesamt für Strassen (Astra). Dazu gehöre eine entsprechende Ausrüstung bei Eis und Schnee, ergänzt Kommunikationschef Jérôme Jacky. Die Reifen müssten das Minimalprofil von vier Millimetern aufweisen. Eine weitere Regel oder gar eine Anpassung des Gesetzes findet das Astra nicht nötig.
Beim ACS verweist Präsident Thomas Hurter auf gewisse Alpenpässe, bei denen zeitweise ein Winterreifen- oder Schneeketten-Obligatorium gelte. Weitere Vorschriften hält der SVP-Nationalrat für unnötig. Beim Touringclub (TCS) hat man gute Erfahrungen gemacht mit Freiwilligkeit und Aufklärung, um die Leute zu sensibilisieren. Mit dem Grundsatz: von «O bis O», also von Oktober bis Ostern, sollen die Winterpneus am Auto bleiben.
Schneesocken in Frankreich
In den Nachbarländern wie Deutschland setzt man jedoch auf eine situative oder zeitliche Winterreifenpflicht. Wenn die Strassen eisig oder voller Schnee sind, müssen Winterpneus am Wagen montiert sein. Erst kürzlich haben Deutschland und Frankreich diese Vorschriften noch verschärft und schreiben vor, welche Reifen gekauft werden müssen.
In Frankreich müssen sich Automobilisten in bestimmten Bergregionen mit Winterreifen, Schneeketten oder textilen Schneesocken ausrüsten. Andere Länder bestimmen einen Zeitraum, in welchem die Pflicht gilt. In Italien gibt es keine einheitliche Regelung. In Berggebieten zum Beispiel dauert das Obligatorium von Mitte Oktober bis Mitte April.
Die zeitlich beschränkte Winterreifenpflicht, wie sie manche Nachbarländer kennen, würde nicht viel bringen, sind die Fachleute überzeugt. Weil sich das Wetter nicht nach exakten Daten richte.
Beim Verkehrsclub der Schweiz (VCS) sieht Martin Winder mögliche Vorteile in einer Winterreifenpflicht. Zum Beispiel könnten Lenker im Winter gebüsst werden, wenn sie ohne entsprechende Reifen unterwegs sind. Im Idealfall würde dies den gebüssten Fahrer dazu bringen, künftig rechtzeitig die Winterreifen zu montieren. Der VCS fordert dennoch kein Obligatorium für Winterpneus. Das Thema stehe zurzeit nicht im Vordergrund. Die bestehende Regelung beurteilt auch der Verkehrsclub als faktisches Obligatorium; weil man haftet, wenn mit Sommerpneus ein Unfall verursacht wird.
Den ganzen Winter mit Sommerpneus herumfahren ist also legal. Aber nur, solange nichts passiert.