Facebook, Snapchat, Whatsapp und Instagram prägen die Jugendbewegung der «Climate Kids». Sie sind damit, was die Mobilisierungsmöglichkeiten angeht, klar besser aufgestellt als ihre Väter und Grossmütter bei früheren Revolten. Doch ob der aktuelle Klimastreik mehr als nur ein Strohfeuer ist, müsse sich erst noch weisen, sagt der Jugendbewegungsforscher Stefan Rindlisbacher.
SRF News: Ist das der Anfang einer neuen, grossen Jugendbewegung?
Stefan Rindlisbacher: Das ist schwer abzuschätzen. Soziale Bewegungen stützen sich auf viele Faktoren. Dabei, ob sie Erfolg haben, kann zum Beispiel auch der Zufall eine sehr wichtige Rolle spielen. Aber man sieht hier einige Aspekte wie etwa die Mobilisierung. Die ist sehr wichtig. Im Vergleich mit der Anti-Vietnam-Bewegung oder der Anti-AKW-Bewegung ist es aber sicher schwieriger für die aktuelle Bewegung, einen klaren Gegner auszumachen.
Ich sehe hier die erste grössere Jugendbewegung der Generation der ‹Digital Natives›.
Die Vietnamkriegsgegner hatten die US-Amerikaner oder allgemein den Westen, den sie klar als ihren Gegner identifizieren konnten. Bei den AKWs hatte man die AKWs, die quasi vor der Haustür gebaut wurden. Beim Klimawandel sieht man zwar schon die Auswirkungen. Aber das Thema ist viel komplexer, weil es langfristiger ist, und nicht so fassbar wie bei anderen sozialen Bewegungen.
Das Mobilisieren über grosse Distanzen ist dafür dank Internet leichter...
Genau. Ich sehe hier die erste grössere Jugendbewegung der Generation der «Digital Natives», die sich zum ersten Mal in einer globalen Bewegung zusammenschliesst. Die sozialen Medien sind dabei ein riesiger Vorteil.
Schauen wir uns zum Beispiel die 68er an: Sie mussten noch Flugblätter schreiben, Zeitschriften zusammenstellen, diese irgendwie drucken und die Kosten dafür decken, um die Leute zu erreichen und sie von der eigenen Sache zu überzeugen. Dies gelang meistens nur lokal, etwa in Zürich oder Bern. Aber jetzt haben wir ein Phänomen, das sehr schnell globale Züge annehmen könnte.
Diese neue Bewegung stützt sich sehr stark auf Gymnasiastinnen und Gymnasiasten. Ist das typisch für eine Jugendbewegung?
Das kann man in diesem Fall beobachten. Es ist aber nicht immer so. Es gibt durchaus auch Jugendbewegungen, bei den 68ern, aber auch bürgerliche, bei denen auch Lehrlinge dabei waren. Tendenziell kann man sagen: Es ist eher eine gut gebildete Mittelschicht, die sich überhaupt mit diesen Themen befasst. Die auch das Wissen hat, sich damit zu beschäftigen und auch die Motivation hat, die eigene Lebensweise zu hinterfragen und die Auswirkungen auf die Welt zu untersuchen. Das ist etwas, das man eher bei den Gymnasiasten findet.
Das Engagement der jungen Klimaaktivistinnen und -aktivisten ist noch ein kleines Strohfeuer. Sehen Sie Anzeichen, dass es noch lange lodern wird?
Das hängt von sehr vielen Faktoren ab. Können die Jugendlichen über eine längere Zeit die Leute mobilisieren und auf die Strasse bringen? Gibt es Möglichkeiten, das irgendwie zu verfestigen, also zum Beispiel ein Sekretariat zu gründen, in dem sich eine gewisse Gruppe organisieren kann, die den Kern der Bewegung bildet? Oder kann man mit anderen NGOs zusammenarbeiten, mit Greenpeace zum Beispiel, oder mit den grünen Parteien, die es ja schon gibt? Es ist im Moment sehr schwierig, das vorauszusagen. Aber das Potenzial ist da. Es ist sicher eine der grössten Jugendbewegungen, die wir in den letzten Jahren gesehen haben, und auch eine sehr politische.
Das Gespräch führte Max Akermann.