Die Vorwürfe der Schülerinnen der Ballettschule Theater Basel BTB sind happig. Ans Tageslicht kamen sie in Medienberichten übers Wochenende. Die «NZZ am Sonntag» und das Basler Onlineportal «Bajour» haben mit 33 Schülerinnen gesprochen, sieben davon hatten eingewilligt, mit ihrem Namen in dem Artikel zu erscheinen. Die jungen Frauen berichten von jahrelangen Demütigungen, anzüglichem Verhalten gewisser Lehrer, Panikattacken und Essstörungen.
Ich weinte regelmässig und hoffte, man würde uns helfen. Aber niemand setzte sich für uns ein.
Eine Schülerin erzählt: «Ein Lehrer kniff mir oft in die Beine und wies auf das Fett hin. Er sagte mir, dass ich aufhören solle, zu essen. Der gesamten Klasse sagte er, man solle nichts als einen Apfel und ein Joghurt pro Tag zu sich nehmen.» Eine weitere Schülerin ergänzt: «Ich weinte regelmässig und hoffte, man würde uns helfen. Aber niemand setzte sich für uns ein. Es schien, als hätten sie alle eine stillschweigende Vereinbarung getroffen: Was hier läuft, mag hart sein, aber nötig. Man brach uns, und alle schauten zu.»
Die Vorwürfe richten sich insbesondere auch gegen die Direktorin. Sie habe Schülerinnen systematisch beschimpft oder wochenlang ignoriert, heisst es.
Die Direktorin der Schule und der Vorstand widersprechen den Darstellungen gegenüber der «NZZ am Sonntag» und «Bajour». Sie sei erschüttert über die vorgebrachten Vorwürfe. «Die Zitate und Aussagen widerspiegeln nicht die Realität der BTB-Ethik», schreibt die Direktorin in einem Mail.
Die Zitate und Aussagen widerspiegeln nicht die Realität.
Neu sind die Anschuldigungen allerdings nicht. So habe es zwischen der Schule und den Behörden in den letzten zehn Jahren mehr als ein Dutzend Gespräche gegeben. Mit ein Grund: Das Basler Erziehungsdepartement ist Aufsichtsbehörde bei der Tanzausbildung an der BTB und die Quote der Lehrabbrüche ist an der Schule extrem hoch. Neben der Schulleitung stehen deshalb derzeit auch die Basler Behörden in der Kritik.
Schule hat Direktorin freigestellt
Dem Vorwurf, man hätte nichts unternommen, obwohl man von den Vorgängen wusste, widerspricht Ulrich Maier, Leiter des Bereichs Berufsbildung beim Erziehungsdepartement Basel-Stadt. «In diesem Ausmass waren uns die Vorwürfe nicht bekannt, sonst hätten wir früher gehandelt», betont Maier. So habe er nicht gewusst, dass die Schülerinnen offenbar einem dermassen starken psychischen Druck ausgesetzt gewesen seien. Es habe zwar einzelne Gespräche gegeben, einen Hinweis auf Missbrauch habe man aber nicht erhalten. Zudem sei die hohe Zahl an Lehrabbrüchen bei Ballettschulen in der ganzen Schweiz nicht aussergewöhnlich.
Wir nehmen die Vorwürfe sehr ernst. Daher werden wir eine unabhängige Untersuchung in Auftrag geben.
Der Vorstand der Ballettschule Theater Basel hat die Schuldirektorin nun freigestellt. Die von verschiedenen Medien veröffentlichten Vorhaltungen würden einer unabhängigen Untersuchung unterzogen, teilte der Schulvorstand am Dienstag mit. «Die erhobenen Vorwürfe machen uns als Vorstand der Ballettschule äusserst betroffen. Wir nehmen sie sehr ernst. Daher werden wir eine unabhängige Untersuchung in Auftrag geben – mit dem Ziel, die Vorwürfe genau zu untersuchen und aufzuklären.»
Dass die Vorwürfe nun untersucht werden, begrüsst Ulrich Maier vom Erziehungsdepartement. Er hält jedoch fest, dass innerhalb der Branche ein Umdenken stattfinden müsse: «Die Frage ist, wie sich die Branche als Ganzes jetzt in dieser Situation entwickelt. Weil, wenn es in der Schweiz keine Ballettausbildung mehr gibt, dann ist das nicht eine Lösung des Problems.»