40 Prozent der Schutzbedürftigen in Zürcher Frauenhäusern stammen aus anderen Kantonen. Dies schreibt der Zürcher Regierungsrat in einer Medienmitteilung. Da die Nachfrage nach Unterkünften für Gewaltopfer gross ist, führe dies dazu, dass Frauen aus dem Kanton Zürich in andere Kantone ausweichen müssten, sagt die zuständige Regierungsrätin Jacqueline Fehr (SP): «Eine solche Schutzwohnung kann unter Umständen recht weit weg sein, weil es in den umliegenden Kantonen kaum solche Einrichtungen gibt.»
«Andere Kantone müssen ihre Verantwortung wahrnehmen»
Das sei schlecht für die Frauen und ihre Familien, da eine Anschlusslösung schwieriger zu organisieren sei – es sei aber auch schlecht für die Kantonsfinanzen, sagt Jacqueline Fehr weiter. Denn der Kanton Zürich komme vollumfänglich für die Unterbringung der Frauen in anderen Kantonen auf.
Deswegen fordert der Zürcher Regierungsrat, dass andere Kantone ihre Verantwortung wahrnehmen und die nötigen Betten in Schutzeinrichtungen selbst zur Verfügung stellen müssten. Sei das nicht möglich, sollten sie aus Zürcher Sicht verpflichtet werden, Verträge mit solchen Kantonen abzuschliessen, die über Unterkünfte verfügen. Sie sollen sich also finanziell an der Infrastruktur beteiligen.
Angebot variiert stark
Diese Anpassungen sollen in die laufende Revision des Opferhilfegesetzes des Bundes einfliessen. Bereits heute empfiehlt die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren, dass Kantone ohne Frauenhäusern Leistungsvereinbarungen mit anderen Kantonen abschliessen.
Allerdings sei diese Empfehlung noch nicht vollständig umgesetzt, schreibt der Zürcher Regierungsrat. Eines der Probleme sei zudem, dass das Angebot an Schutz- und Notunterkünften je nach Region in der Schweiz stark variiere.
Das Angebot müsste landesweit vervierfacht werden.
Dies sagt auch Blertë Berisha, Co-Geschäftsleiterin des Dachverbands der Schweizer Frauenhäuser. Die Frauenhäuser seien bereits jetzt überlastet. Die Verantwortlichen rechnen zudem damit, dass die Anfragen weiter steigen: «Deshalb ist es höchste Zeit, aktiv zu werden», sagt Berisha.
Jeder Kanton müsste sich finanziell beteiligen und selbst genügend Schutzplätze zur Verfügung stellen. Die Istanbul-Konvention empfehle pro 10'000 Einwohnerinnen und Einwohner ein Familienzimmer. «Damit die Schweiz diesem Anspruch genügt, müsste das Angebot landesweit vervierfacht werden.»
Zürich will Druck erhöhen
Es ist eher unüblich, dass eine Kantonsregierung andere Kantone derart kritisiert. Es sei aber nötig, den Druck zu erhöhen, sagt Jacqueline Fehr. Denn obwohl die zuständigen Fachpersonen die Notwendigkeit sehen, seien manche Regierungen weniger empfänglich. Fehr sagt: «Die Bevölkerung darf erwarten, dass alle Kantone bereit sind, finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen und auch die Infrastruktur, damit Gewaltopfer vor Ort Schutz finden.»