Studienautor Charles Landert bringt das wichtigste Resultat der Umfrage auf den Punkt: «Die Lehrer haben zu wenig Zeit, das zu tun, was man ihnen als Auftrag mit auf den Weg gibt.» Der Sozialwissenschaftler hat die Befragung im Auftrag des Lehrerverbandes zum vierten Mal durchgeführt.
Noch nie hätten sich so viele Lehrer daran beteiligt, sagt Landert. «Jetzt, mit der Datenbasis von 15‘000 Lehrerinnen und Lehrern und 68 Aspekten des Lehrberufes, die wir abgefragt haben, haben wir über eine solide Datenbasis verfügen können für unsere Auswertung.» Die Studie zeigt, dass die Belastung der Lehrer zugenommen hat – durch mehr Büroarbeit, mehr Elterngespräche, durch die Integration von fremdsprachigen Kindern und solchen mit Lernschwierigkeiten.
29 Lektionen pro Woche sind zu viel
Beat Zemp, den Präsidenten des Schweizerischen Lehrerverbandes, zieht eine klare Erkenntnis daraus: «Wir stellen fest, dass ein Vollpensum je länger je mehr nicht mehr lebbar ist. Ganz viele Lehrer reduzieren ihr Pensum auf 80 Prozent oder noch weniger, weil sonst die Belastung viel zu hoch ist.»
Ganze 70 Prozent der Lehrer würden heute Teilzeit arbeiten. Laut Studienautor Landert hat Teilzeitarbeit aber auch negative Folgen: «Es gibt natürlich mehr Aufwand im Team. Vor allem im organisatorischen Bereich hat das Konsequenzen.» Ausserdem sinkt der Lohn. Der Lehrerverband fordert deshalb, dass die Zahl der Wochenstunden gesenkt werden müsse.
Heute sind gemäss Zemp für Volksschullehrer 27 bis 29 Lektionen üblich: «Die Hauptforderung ist daher mittelfristig, das Pensum auf 26 Lektionen herunterzufahren. Die zweite ist die Lohnentwicklung, weil diese in den letzten 20 Jahren einfach nicht Schritt gehalten hat mit der Lohnentwicklung in anderen Berufen.»
Zemp: «Pflichtpensen unter Heimatschutz»
Zemp begründet die Forderung auch mit dem Blick auf die Geschichte: «Man kann sagen, dass die Pflichtpensen unter Heimatschutz stehen. Seit 150 Jahren haben sie sich nicht verändert. Es ist wahrscheinlich der einzige Beruf, der bei der Arbeitszeit keine Veränderung erfahren hat.»
Gleich viele Lektionen wie vor 150 Jahren – dabei seien inzwischen viele neue Aufgaben dazugekommen, so Zemp. Deshalb fordert sein Verband nun weniger Lektionen und mehr Lohn. Aber ist diese Forderung auch gerechtfertigt?
Die Lehrer würden nicht jammern, sagt Landert: «Das Jammern ist ein Bild, das über Jahrzehnte fortgepflanzt wird. Aber es trifft nicht die Realität in der Schule.»
Nun bleibt abzuwarten, wie die Forderungen der Lehrer in Zeiten, in denen alle Kantone sparen, politisch ankommen. Der Verbandspräsident ist zuversichtlich: «Ich denke, das Geld für die nächsten zwei Jahre ist nicht vorhanden. Aber wir haben ja eine Langzeitperspektive.» Er rechne damit, dass die Schweiz genügend Ressourcen für die Lehrpersonen und Schüler bereitstellen wird, wenn es darum geht, die Bildung gut zu halten – «denn das ist die wichtigste Ressource in der Schweiz».
Die Ablöscher im Lehrerberuf
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Bild 1 von 6. Zwar ist ein Grossteil der Lehrer mit der Ausgestaltung ihres Pensums zufrieden. Doch hier gibt es Faktoren, welche arg an der Zufriedenheit kratzen – insbesondere die administrativen Aufgaben. Bildquelle: LCH.
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Bild 2 von 6. Das Kerngeschäft bewerten die Lehrer vorwiegend positiv. Jedoch fühlen sie sich bei der individuellen Förderung der Schüler schlecht unterstützt. Bildquelle: LCH.
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Bild 3 von 6. Mit ihrem Salär sind die Lehrer mässig zufrieden. Diese wird aber getrübt; zum Beispiel durch mangelhaften Verlass bei der Lohnentwicklung und die ungenügende Abgeltung für zusätzlichen Zeitaufwand. Bildquelle: LCH.
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Bild 4 von 6. Reformen kommen bei den Betroffenen meistens schlecht an. Bei Lehrern fällt aber auf, dass die Umsetzung extrem tiefer bewertet wird als die inhaltliche Ausrichtung – also die Reform an sich. Bildquelle: LCH.
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Bild 5 von 6. Note 3.66 für «Ansehen des Lehrerberufs in der Öffentlichkeit» – und beim Unterricht mit älteren Schülern noch tiefer. Da sollte die Öffentlichkeit aufhorchen. Bildquelle: LCH.
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Bild 6 von 6. Kein Wunder treten Burn-outs bei Lehrern häufig auf: Sie empfinden die Work-Live-Balance als unterdurchschnittlich zufriedenstellend. Bildquelle: LCH.