Als Saudi-Arabien im Frühling 2015 die ersten Bomben über Jemen abwarf, reagierte der Schweizer Bundesrat und sprach ein Moratorium für den Export von Kriegsmaterial Richtung Riad aus. Doch seit gestern ist bekannt: Trotz des Verbots wurden Munition und Ersatzteile für Flugabwehrsysteme im Wert von 5.5 Millionen Franken geliefert. Gemäss Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), das solche Exporte bewilligen muss, sei alles korrekt abgelaufen. Die genannten Lieferungen hätten nur Geschäfte betroffen, die vor dem Moratorium abgeschlossen worden waren.
Zunahme bei Exportbewilligungen in den Nahen Osten
Neben dem Kriegsmaterial bewilligte das Seco den Export von weiteren Gütern im Wert von insgesamt 553 Millionen Franken nach Saudi-Arabien. Es handelt sich dabei um Flugzeuge der Marke Pilatus, Flugsimulatoren und Technologie zur Verschlüsselung von Kommunikation. Dies ist möglich, weil diese nicht unter die Kategorie Kriegsmaterial fallen, sondern als sogenannte «Dual-Use-Güter» oder «besondere militärische Güter» gelten – Güter, die sowohl zivil als auch militärisch verwendet werden können. Diese Regelung ist eine Besonderheit der Schweizer Gesetzgebung.
Der Export von Dual-Use-Gütern ist ein wachsendes Geschäft. Alleine 2015 wurden Exporte im Wert von 1.7 Milliarden Franken bewilligt – ein Anstieg von 200 Millionen Franken im Vergleich zum Vorjahr. Dies zeigt die kürzlich aktualisierte Bewilligungs-Datenbank des Seco, die SRF ausgewertet hat. Fast die Hälfe der militärisch verwendbaren Güter ist für den Nahen Osten bestimmt – Exporte im Wert von 806 Millionen Franken. Im Vorjahr waren es deutlich weniger: Das Seco bewilligte Exporte im Wert von 480 Millionen Franken.
Die Daten geben ein detailliertes Bild über die Exportpolitik des Bundes und eine Übersicht darüber, welche Länder an welchen Gütern interessiert sind – und in welchem Umfang. Besonders beliebt sind Trainingsflugzeuge und Simulatoren, vorderhand exportiert nach Saudi-Arabien, Indien und Katar.
Die Datenbank des Seco beinhaltet ausschliesslich die Bewilligungen der Geschäfte und keine Angaben darüber, was effektiv ausgeführt wurde. Ebenso fehlen Güter, die als Kriegsmaterial gelten. Ein Teil der Aufträge sind so umfassend, dass ihre Ausführung mehrere Jahre dauert. Weil eine Exportbewilligung aber nur ein Jahr gültig ist, tauchen in den Daten vereinzelt auch Geschäfte auf, die schon vor dem Jahr 2012 bewilligt wurden. Solche Mehrfachbewilligungen führen dazu, dass Aufträge in der Statistik mehrfach vorkommen können. Das Seco will diese Schwäche künftig beheben.
Glättli: «Wir fordern ein Export-Embargo»
Die zunehmend heiklen Exporte in den Nahen Osten sind Kritikern ein Dorn im Auge. Balthasar Glättli, Nationalrat bei den Grünen, sagt gegenüber der «Tagesschau», die Grünen forderten ein «Embargo für Waffen für den ganzen Nahen Osten.» Darunter würden sie auch Ersatzteile, Munition und Dual-Use-Güter wie Flugzeuge verstehen. Diese würden in Saudi-Arabien für militärische Trainings eingesetzt.
Walter Müller, Nationalrat der FDP, warnt vor einem Verbot: «Die Schweizer Industrie würde damit zu einem unsicheren Partner. Ausländische Partner würden sich dann fragen: Sollen wir noch Beziehungen mit Schweizer Firmen eingehen?» Eine Einschränkung der Rüstungsexporte würde einen Verlust an Schweizer Arbeitsplätzen in Kauf nehmen. Müller schlägt deshalb vor, wie bisher im Einzelfall zu prüfen.