Wer möchte ein Schweizer Atomkraftwerk für 1 Franken erwerben? Niemand, wie sich jetzt zeigt. «Ja, unsere Kernkraftwerke lassen sich derzeit nicht verkaufen», bestätigt der Energiekonzern Alpiq auf Anfrage von Radio SRF.
Dieses deutliche Statement lässt für SRF-Inlandredaktor Christian von Burg nur einen Schluss zu: «Es zeigt, wie katastrophal die Lage der Schweizer Stromkonzerne derzeit ist.»
Atomaustieg wird zum Verlustgeschäft
In der Tat schwammen die Schweizer Kernkraftwerks-Betreiber in der Vergangenheit im Geld. Davon konnten auch die Kantone profitieren – schliesslich halten sie grosse Anteile an den Stromkonzernen. Doch spätestens seit dem Reaktorunglück in Fukushima und dem beschlossenen Atomausstieg sind Atomkraftwerke ein Verlustgeschäft.
Mit jeder Kilowattstunde, die in einem Atomkraftwerk hergestellt wird, verlieren die Betreiber Geld, weil Elektrizität auf dem (subventionierten) europäischen Strommarkt unter Wert verkauft werden muss.
Dieses Geschäftsmodell funktioniere nur noch solange, bis die Kassen der Stromkonzerne leer seien, erklärt Christian von Burg. Dies könnte nämlich bei Alpiq früher der Fall sein, als ursprünglich angenommen: «Das bedeutet dann Konkurs.»
Alpiq will AKWs verschenken
Das Geschenk-Angebot von Alpiq stammt aus einem vertraulichen Protokoll der Umweltkommission des Nationalrats (Urek-N) über eine Aussprache mit dem Alpiq-Verwaltungsratspräsident Jens Alder, das die «SonntagsZeitung» publik gemacht hat. Laut dem Bericht wollte Alpiq ihre beiden Atomkraftwerke Gösgen und Leibstadt nach Frankreich verschenken, konkret an die Electricité de France SA (EDF).
«Ich habe als Erstes der EDF unsere AKW als Geschenk angeboten. Dies wurde aber abgelehnt», soll Alder in der Kommission gesagt haben. Alpiq habe auch kein anderes Unternehmen gefunden, das die Atomkraftwerke übernehmen wollte.
Deshalb versuchte Alpiq, die Kernkraftwerke Leibstadt und Gösgen dem Bund zu verkaufen – und dies äusserst günstig: «Wir würden unsere AKW gerne dem Staat verkaufen, ja sogar für einen symbolischen Preis von einem Franken verschenken», zitiert die «SonntagsZeitung» Alder vor der Kommission.
Stromproduktion ist ein Verlustgeschäft
Tatsächlich erwirtschaftet die Schweizer Stromproduktion einen jährlichen Verlust von zwei Milliarden Franken. «Wir müssen irgendeine Lösung finden, um aus dieser Situation herauszukommen», sagte Alder demnach weiter.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Alpiq im Zusammenhang mit dem Schweizer Atomausstieg in die Schlagzeilen gerät. Bereits Anfang März dieses Jahres hatte die «Basler Zeitung» publik gemacht, dass die PR-Agentur «Hirzel, Neef, Schmid» einen Plan ausarbeitet, wie dem Bund die Atomkraftwerke «schmackhaft» gemacht werden könnten.
Cui bono – kurz vor der Abstimmung über den Atomausstieg?
Mitten im Abstimmungskampf um die Atomausstiegs-Initiative Ende November ist diese Information brisant. Die Veröffentlichung des vertraulichen Kommissionsprotokolls über das Verschenken von AKWs nütze vor allem der atom-kritischen Seite. Deshalb sei es naheliegend, dass das Leck für das vertrauliche Kommissionsprotokoll bei den linken Parteien liege, vermutet von Burg.
Auf Nachfrage von Radio SRF bei den Nationalräten in der Urek-N sagte niemand, die Informationen der «SonntagsZeitung» seien falsch. Einige sagten korrekterweise einfach nichts, aber im Kern wurde bestätigt, dass Jens Alder an der Kommissionssitzung im Mai vom Verkaufsangebot an die EDF gesprochen habe. Auch die Alpiq-Medienstelle bestätigte SRF, dass ihre Kernkraftwerke sich derzeit nicht verkaufen lassen.
Offiziell bestätigt dagegen weder Alpiq noch die Kommissionsmitglieder, dass die Stromkonzerne deshalb auf eine Annahme der Atomausstiegs-Initiative hoffen und damit auf ein «Ende mit Schrecken, statt einem Schrecken ohne Ende», erklärt von Burg.
Wer bezahlt am Ende?
Was aber auf Nachfragen auch niemand bestätigte: Ein Ja zur Atomausstiegs-Initiative käme den Betreibern entgegen. Aus rein wirtschaftlichen Gründen wäre ein Ja für die Atomkraftwerk-Betreiber kein schlechtes Szenario. Denn mit einem politisch verordneten sofortigen Aus könnten die Schweizer Stromkonzerne Schadenersatz fordern für ihre nicht mehr amortisierbaren Investitionen.
«Eigentlich geht es nur noch darum, wer bezahlt», fasst von Burg zusammen. «Entweder sind es einzelne Kantone als Besitzer dieser Stromkonzerne, die mehr bezahlen müssen – oder der Bund, also die Steuerzahler, die dafür gerade stehen müssen.»