SRF: Kritiker der Zuwanderung hatten schon länger vor einer Einwanderung in die Sozialwerke gewarnt. Waren diese Befürchtungen berechtigt?
Boris Zürcher: Nein, davon kann nicht die Rede sein. Die Personenfreizügigkeit will die mobilen Arbeitskräfte ja nicht bestrafen. Daher ergibt es Sinn, dass Leute, die in ihrem Heimatland die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen und in die Schweiz kommen, nicht ohne Versicherungsschutz dastehen. Das ist der Grundgedanke dieser Freizügigkeit.
Die Taggelder im Rahmen der Totalisierung betrugen im letzten Jahr 31 Millionen Franken. Gehört das zum Preis, den wir in der Schweiz zur Personenfreizügigkeit bezahlen?
Wir in der Schweiz haben ja die Arbeitskraft. Oft sind es Leute, die in saisonalen Branchen tätig sind und einem erhöhten Arbeitslosigkeits-Risiko ausgesetzt sind. Ich kann deshalb nicht verstehen, wenn man von einem Preis der Zuwanderung spricht. Es ist fair, dass der Versicherungsschutz auch diesen Leuten zugute kommt.
Wie erklären Sie sich den Anstieg der letzten Jahre?
Wir haben eine Veränderung der Arbeitskräfte-Nachfrage. Die Beschäftigungszunahmen finden vor allem in den Binnensektoren statt. Beispielsweise im Bau, im Gastgewerbe. Bei entsprechender Nachfrage wird diese zunehmend auch von Leuten aus den Südstaaten der Eurozone befriedigt.
Ist dieser Anstieg bei den Totalisierungen ein Problem, unternimmt der Bundesrat etwas dagegen?
Wir schauen jeden einzelnen Fall an. Es sind im Moment rund 2500 Fälle, die Anspruch auf die Totalisierung haben. Es gibt keinen einzigen Fall, in dem jemand nur einen Tag hier gearbeitet hat und dann bereits Arbeitslosenversicherung in Anspruch nehmen kann. Es sind überwiegend Leute, die mehrere Monate hier gearbeitet haben. Sie haben im Heimatland die Anspruchsberechtigung erfüllt. Man soll sie nicht bestrafen, dass sie mobil sind.
Sie schliessen Missbrauch aus. Trotzdem: Wird das nicht zu einer Belastung für die Arbeitslosenversicherung in der Schweiz?
Wir bezahlen beispielsweise bei den Grenzgängern fast 200 Millionen Franken im Jahr. Man muss die 31 Millionen, von denen jetzt die Rede ist, in diese im Verhältnis anschauen. Wir haben ein wachsames Auge auf diesen Dossiers. Es gibt keinen Missbrauch, wenn es ihn gäbe, würden wir ihn ahnden.
Das Gespräch führte Lukas Mäder.