Nach dem Nein bei der Volksabstimmung über neue Gripen Kampfjets muss der Bundesrat über die Bücher. Das erste Mal hat das Volk mit dem Gripen-Beschaffungs-Fonds ein so grosses Rüstungsgeschäft bachab geschickt. War Verteidigungsminister Ueli Maurer selber schuld am Entscheid?
Für Toni Brunner, Präsident der SVP, ist es einfach, einen Schuldigen zu finden, «wenn von den anderen sechs Bundesräten während der Abstimmungskampagne nichts zu hören war». Das Gripen-Fonds-Gesetz sei ja geradezu darauf angelegt gewesen, um es vom Volk ablehnen zu lassen. Brunner kritisiert aber auch die anderen bürgerlichen Parteien FDP und CVP, die mit Kritik («Papierflieger») und dem Rückzug aus dem Kampagnen-Komitee der Vorlage geschadet hätten.
Christophe Darbellay, Präsident der CVP, weisst den Vorwurf zurück, kalte Füsse bekommen zu haben. Die CVP habe nicht mehr mitgemacht, weil die Vorlage nur noch als Rüstungsgeschäft behandelt wurde.
Martin Bäumle, Präsident der GLP, betonte, dass im Gegenkomitee von Anfang an klar argumentiert worden sei, dass der Gripen finanzpolitisch zu teuer und sicherheitspolitisch unnötig sei.
Der Hauptgrund, dass der Gripen abgelehnt worden ist, liegt bei Christian Levrat, Präsident der SP daran, «weil Ueli Maurer seine Arbeit als Bundesrat in den letzten vier Jahren nicht gemacht hat.» Es sei ihm nicht gelungen, aufzuzeigen, was der Auftrag der Armee und der Lufwaffe sei.
Droht eine Sicherheitslücke?
In seiner Stellungnahme am Abstimmungssonntag sprach Verteidigungsminister Ueli Maurer von einer Lücke in der Luftsicherheit. Martin Bäumle widerspricht. Die F/A-18-Flugzeuge genügten für die nächsten Jahre. Ein 24-Stunden-Luftpolizei-Betrieb müsse es nicht jeden Tag geben, aber bei erhöhten Sicherheitslagen, etwa beim WEF, könne dieser sichergestellt werden.
Ein 24-Stunden-Betrieb wäre, so Brunner, mit dem Gripen machbar gewesen. Nach dem Volksentscheid stelle sich aber «irgendwann die Frage: Gibt es überhaupt eine Luftwaffe nach dem F/A-18?» Darbellay pflichtet dem bei: Ein Tiger-Teilersatz sei vom Tisch. Es gebe auch keinen Plan B. Ueli Maurer müsse das Problem in den nächsten zwei bis drei Jahren angehen.
Als Experte sieht Marcus B. Graf, Vizepräsident der Offiziersgesellschaft, die Sicherheitslücke als manifest. Ab 2025 gäbe es keine Kampfflugzeuge mehr am Himmel.
Internationale Zusammenarbeit bei Luftraumsicherung
Diesen Szenarien stellt sich SP-Präsident Levrat entgegen. Er wirft die Frage nach dem Konzept für die Luftpolizei auf. Sie funktioniere nur in Zusammenarbeit mit den Nachbarländern. «Sie wollen eine fremde Armee im Land?», interveniert Toni Brunner. Nein, Sicherheit müsse regional gesichert werden, entgegnet Levrat. Er sehe die grössten Sicherheitsbedrohungen vorwiegend wenige Kilometer von der Grenze entfernt, wie etwa in Genf oder Montreux. «Sicherheit ist nur im Verbund mit anderen Ländern möglich», so Levrat.
Offizier Marcus B. Graf stösst sich am Vorwurf, diese internationale Zusammenarbeit gäbe es nicht. «Die Luftwaffe war beim Fall des entführten äthiopischen Flugzeugs in Genf bereits morgens um 4 Uhr informiert gewesen. Aber die Armee hat keine Interventionsmittel und das Parlament hat den reduzierten Betrieb während der Bürozeiten akzeptiert. Und das wird heute kritisiert.»
Die Verunsicherung und Unklarheiten, um was es beim Gripen tatsächlich ging, sieht indes der Armeespezialist Bruno Lezzi als Hauptproblem der Stimmbürger bei der Gripen-Vorlage. Offene Fragen seien nicht beantwortet worden, etwa wie der Luftpolizeidienst auch in internationaler Zusammenarbeit funktionieren sollte. Bei der Luftraumsicherung, meinte Lezzi, gehe es – man betrachte etwa den Golfkrieg – nicht um das Dach über dem «chline Hüsli» Schweiz. Der Luftraum werde heute über Grossdistanzen zerstört.
Wem gehören die «eingesparten» Mittel?
Für die Gripen-Beschaffung hätten über zehn Jahre jährlich CHF 300 Mio. in einen Fonds einbezahlt werden sollen. Darbellay argumentiert, die Mittel gehörten der Armee. «Wir sind bei sieben Prozent der Bundesausgaben für die Armee gelandet. Der Anteil war noch nie so tief.»
Levrat hält dagegen, die 300 Millionen Franken müssten in die Bundeskasse. Seit zehn Jahren stiegen die Ausgaben für die Armee. Auch für Martin Bäumle gehört das Geld nicht der Armee.
Das Zusammensparen bei der Armee hätte dann aber zur Folge, so Toni Brunner, dass «wir heute nicht mehr in der Lage sind, aus dem Stand eine Armee aufzubieten.»
Bedrohungsszenarien: Wo ist der Feind?
Mit der Mittelzuwendung stellt sich auch die Frage, welche Aufgaben die Armee wahrnehmen muss. Für Brunner ist klar: Der Schutz der Schweiz, weil viel Konfliktpotenzial besteht.
Für Levrat hingegen kann Sicherheit nur in Kooperation geschaffen werden. Es sei die Idee von Bundesrat Adolf Ogi gewesen, «Sicherheit durch Kooperation» zu schaffen. Im Rahmen der UNO oder der OSZE sei dies möglich.
Darbellay sieht konkret vor allem Naturkatastrophen. Dann sei man froh, eine Armee zu haben. Zudem wären bei längeren Krisen die Polizeikräfte nach 48 Stunden am Boden, auch dann wäre die Hilfe der Armee nötig.
Brunner verteidigt den Anspruch, die Sicherheit im eigenen Land selber gewährleisten zu können. Die viel gerühmte Diplomatie, etwa der Vorsitz der Schweiz in der OSZE, habe ihren Erfolg auch darum, weil die Schweiz keinem Bündnis angehöre.
Für den Militärexperten Bruno Lezzi geht man die nun anstehende Frage zu wenig kreativ an. «Wir sagen, Polizei bleibt so, wir überlegen nicht, ob es vielleicht eine andere Polizei braucht. Wir versuchen, alte Modelle mit viel Koordinationsmechanismen zu stützen.»