Die Meldungen im Vorfeld der Abstimmung hatten meist denselben Tenor: Ein Brexit habe für die Schweiz und die Schweizer Wirtschaft negative Folgen. «Ich sehe einen schwarzen Tag», sagt dementsprechend Kathy Riklin. Man brauche nur die Börse und die Devisenkurse anzuschauen. Die entstandene Unsicherheit verheisse nichts Gutes für die Schweizer Wirtschaft. In den nächsten zwei Jahren gebe es für die Schweiz auch poltisch nichts zu holen, so die CVP-Nationalrätin.
Dezidiert anderer Meinung ist ihr Ratskollege Roger Köppel. «Ich habe beste Laune und verstehe diese Trauerstimmung nicht.» Die Schweiz sei gerade so erfolgreich, weil sie nicht Mitglied der EU sei. Der SVP-Nationalrat glaubt, dass sich mit dem Brexit neue Spielräume für die Schweiz ergeben würden, die man nun nutzen müsse.
«Wir stehen heute so gut da, weil wir so gute Verträge mit der EU haben», entgegnet Eric Nussbaumer. Der SP-Nationalrat ist sich sicher, dass es nach dem Brexit keine Spezialbehandlung für die Schweiz aus Brüssel geben wird.
Brexit, Finanzkrisen und Uneinigkeit in der Migrationspolitik. Ist die EU denn in solch unruhigen Zeiten überhaupt ein verlässlicher Partner? «Die EU ist momentan so schwach unterwegs wie noch nie», sagt Petra Gössi. Wenn man nur schon die Migrationspolitik anschaue, halte sich niemand mehr an alle Verträge, ausser die Schweiz. «Und das ist wirklich kein Qualitätszeichen und bietet auch keine Rechtssicherheit.» Beistand erhält die FDP-Präsidentin in dieser Frage von Roger Köppel: «Die EU ist ein Hort der Unsicherheit», so der Zürcher.
Ein solches Urteil über die EU findet Kathy Riklin «unfair». «Die EU ist ein grosses Friedensprojekt». Die Schweiz habe auch vom wirtschaftlichen Aufschwung von Ländern wie Spanien oder Portugal in den letzten 40 Jahren profitiert.
Bleibt die grosse Frage nach der Umsetzung der Zuwanderungsinitiative. Kann diese nach dem Brexit fristgerecht umgesetzt werden? Die EU sei ja schon überfordert, wenn sie zwei Geschäfte gleichzeitig verhandeln müsse, konstatierte Roger Köppel. Fazit des SVP-Nationalrats: «Wir können nicht auf die EU schauen. Wir müssen die Initiative selbst umsetzen.»
Kathy Riklin ist sich nicht sicher, ob sich die EU in der momentanen Situation die Zeit nimmt, mit der Schweiz zu verhandeln. Für Eric Nussbaumer wäre dieses Argument ein «Affront». Der SP-Nationalrat sieht jedoch immer noch Chancen für eine Lösung.
Aus dem Publikum kommt schliesslich ein Vorschlag, der am Tag des Brexit verwegen klingt. Ein Student bringt die Forderung nach einem EU-Beitritt auf den Tisch. Eric Nussbaumer kann dies durchaus nachvollziehen. Die Schweiz müsse viele Regelungen aus der EU übernehmen, ohne mitzugestalten. «Sie verlieren keine Mitbestimmung, wenn sie nicht in die EU beitreten», sagt hierzu der österreichische Nationalratsabgeordnete Johannes Huber (FPÖ). Dem Vorschlag etwas abgewinnen kann hingegen alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey: «Wir wären besser drin, dann könnten wir wenigstens mitgestalten.»