Soll man wegen eines defekten Akkus gleich ein Grossunternehmen einklagen? Den meisten Konsumenten ist das Risiko dafür zu gross, ein Prozess zu teuer. Anders sähe es aus, wenn sich mehrere Geschädigte zu einer Sammelklage zusammenschliessen könnten. Doch das ist in der Schweiz bisher nicht möglich.
SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo möchte dies ändern. Die Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz hat dazu einen politischen Vorstoss eingereicht, der von links bis rechts unterstützt wird.
SRF: Wieso braucht es in der Schweiz die Möglichkeit von Sammelklagen?
Prisca Birrer-Heimo: Heute muss jede Person einzeln klagen – auch in Fällen, in denen mehrere Personen vom gleichen Schaden betroffen sind. Das heisst auch: das ganze Prozessrisiko und die Prozesskosten muss jede geschädigte Person einzeln übernehmen. Deshalb klagen viele Leute gar nicht und dem Gesetz wird nicht zur Durchsetzung verholfen. Dem soll die Möglichkeit einer Sammelklage Abhilfe schaffen.
Haben die Fälle in letzter Zeit zugenommen, in denen eine grosse Anzahl Personen vom gleichen Ereignis betroffen ist?
Ja. Nehmen Sie das Beispiel der Pleite von Lehman Brothers. Dabei wurden viele Kleinanlegerinnen und Kleinanleger geschädigt. Sie hätten gemeinsam eine Sammelklage einreichen können. Oder die Geschichte um die beschädigten Brust-Implantate: Es wird kaum jede geschädigte Frau einzeln eine Klage einreichen und so hohe Prozesskosten riskieren. Wenn die Frauen dies aber gemeinsam tun können, werden sie dies tun – und so auch zu ihrem Recht kommen.
Wie müsste eine Sammelklage im schweizerischen Recht aussehen?
Wir müssen die Sammelklage unserer schweizerischen Rechtskultur anpassen: Im Gegensatz zu den USA sollten nicht automatisch alle Geschädigten in eine Sammelklage eingebunden werden. Betroffene müssten sich also aktiv der Klage anschliessen. Ausserdem soll es keine Strafschäden geben, Forderungen über den Schaden hinaus wären also nicht möglich.
Was wären die Vorteile, wenn die Schweiz das rechtliche Mittel der Sammelklage einführen würde?
In erster Linie soll so dem Recht zur Durchsetzung verholfen werden. Also auch sogenannte kleine Leute sollen zu ihrem Recht kommen. Zudem wurde auch auf europäischer Ebene die Möglichkeit einer Gruppenklage eingeführt. Man hat erkannt, das das eine Lücke im europäischen Rechtssystem ist. Die Schweiz sollte etwas Ähnliches schaffen, sonst ist sie in dem Bereich im Nachteil. Ich denke auch, die Sammelklage ist etwas sehr effizientes: Ein Richter fällt ein Urteil, dass in allen Einzelfällen der Sammelklage gilt. Man muss also nicht X-verschiedene Einzelverfahren führen.
Befürchten Sie nicht, dass mit dem neuen Instrument vermehrt auch in Bagatellfällen Sammelklagen gegen Unternehmen geführt würden?
Es ist möglich, dass es künftig auch bei geringeren Schäden zu einer Klage kommen kann. Ich befürchte aber nicht, dass dies überhandnehmen würde. Denn auch in solchen Fällen müsste man einen Anwalt engagieren und das Verfahren durchziehen. Ich denke deshalb nicht, dass es in Bagatellfällen zu vielen Klagen kommen wird.
Das Interview führte Matthias Heim.