Besonders schlimm sind die Vorwürfe im Kanton Neuenburg: Dort läuft ein Verfahren gegen mehrere Sicherheitsleute des Asylzentrums Boudry. Sie sollen Asylsuchende – Frauen und Männer – zu Intimkontakten gezwungen haben.
Aber bereits in der Vergangenheit gab es verschiedene Vorfälle in Asylzentren: Letzten Frühling etwa äusserte eine ehemalige Angestellte schwere Vorwürfe gegen die Asylunterkunft Tschorren im Berner Oberland. Dort seien den Bewohnern teilweise die falschen Medikamente verabreicht worden und es habe an Frauenkleidern gemangelt.
Im vergangenen Herbst machte dann das Asylzentrum im luzernischen Eigenthal Negativ-Schlagzeilen: Ein krankes Kind habe dort über Tage keine ärztliche Betreuung erhalten.
Auch Denise Graf, Flüchtlingskoordinatorin von Amnesty International, spricht von miserablen Zuständen, die sie bei einem Besuch in dem Luzerner Zentrum vorgefunden habe. So hätten in Eigenthal zwar 25 Kinder gelebt, es habe aber weder genügend geeignete Nahrungsmittel für sie gegeben noch speziell für Kinder geschultes Personal.
Externe Firma in der Kritik
Verantwortlich für den Betrieb in Eigenthal war die Firma ORS. Sie gestand die Mängel ein und versprach, Verbesserungen umzusetzen. Die Asylsuchenden lägen seinem Unternehmen am Herzen, beteuert ORS-Firmensprecher Roman Della Rossa. «Für uns ist es wichtig, dass wir die Asylsuchenden menschlich korrekt und auch professionell betreuen können.»
Auch beim Bund hat man auf Fehler reagiert. Als Sofortmassnahme sei etwa ein besseres Controlling eingeführt worden, sagt Michael Glauser vom Bundesamt für Migration (BFM). So seien nun etwa Mitarbeiter des Bundesamtes regelmässig vor Ort und erstatteten schriftlich Bericht an die Zentrale.
Die Skepsis bleibt
Die Vertreter der Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen bleiben dennoch skeptisch: Sie beklagen zu wenig Betreuung und fehlende Tagesstrukturen für die Asylsuchenden. Weiterbildung und Beschäftigung kämen zu kurz, Disziplin hingegen werde gross geschrieben. Kurz: Man setze falsche Prioritäten, findet Denise Graf von Amnesty.
Heute werde viel zu viel Geld für die Sicherheit ausgegeben, meint Graf. «Wenn dieses Geld in die Betreuung, den Ausbau der Tagesstrukturen und in Beschäftigungsprogramme investiert würde, wäre die Situation in den Zentren wesentlich ruhiger.»
Weniger Geld vom Bund
Teil des Problems sei, dass der Bund die Beiträge pro Asylbewerber in den vergangenen Jahren deutlich gesenkt habe. Heute zahlt der Bund für jede betreute Person knapp 1500 Franken im Monat. «Wenn man mit diesen Beiträgen noch Profite erwirtschaften will, heisst das ganz klar: Abstriche bei der Betreuung und bei den Anforderungen an das Personal», sagt Denise Graf. Wolle man nämlich gut ausgebildetes Personal beschäftigen, müsse man dieses auch entsprechend bezahlen.
Auch Beat Meiner, Generalsekretär der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, hat Bedenken, dass private Firmen immer mehr Asylzentren führen. Diese wollten schliesslich Gewinn machen.
Meiner findet aber auch, man könne den Privaten nicht allein die Schuld zuschieben. «Es hat auch damit zu tun, wie der Auftrag an diese Firma vom Bundesamt für Migration formuliert wurde. Dort muss man ansetzen.» Beim BFM heisst es auf Anfrage, man sei daran, die Richtlinien zu überarbeiten.
Derzeit betreibt die Firma ORS alle Asylzentren des Bundes. Dieses Jahr schreibt der Bund die Aufträge neu aus. Amnesty International und die Flüchtlingshilfe wünschen, dass dann auch andere Firmen zum Zuge kommen. Mehr Konkurrenz für bessere Qualität, ist ihre Hoffnung. (krua)