Die «Schweiz am Sonntag» brachte den Stein ins Rollen. Chefredaktor Patrik Müller berichtete über die Nackt-Selfies von Geri Müller, Nationalrat und Stadtammann von Baden. Heiss diskutiert wurde im «Club» die Frage, bis wann solche Informationen privat und ab wann sie von öffentlichem Interesse sind.
Im Fall von Geri Müller ist Patrik Müller zu dem Schluss gekommen, dass die Informationen von öffentlichem Interesse sind. «Es ist nicht irgendein Bürger, es ist ein bekannter Politiker, Vollzeit-Stadtammann, Nationalrat. Er hat diese Sachen aus Amtsräumen gemacht.» Müller betonte den Polizeieinsatz im öffentlichen Raum, dem man nachgegangen sei und der der Auslöser der Geschichte gewesen sei.
Auch der «Blick»-Gruppe hätten Informationen zur Sex-Chat-Affäre von Geri Müller vorgelegen, erklärt Moderatorin Karin Frei. Sie hätten jedoch noch nicht so viele harte Fakten gehabt und diese deshalb nicht nicht veröffentlicht, erklärt Christine Maier, die Chefredaktorin des «Sonntagsblick». «Wir waren nicht im Wissen des Polizeieinsatzes, sonst hätten wir die sicher auch publiziert.»
Konnte Geri Müller angemessen reagieren?
Geri Müller kritisiert die Herangehensweise der «Schweiz am Sonntag». Für ihn habe lediglich die NZZ sauber gearbeitet. «Sie hat die Polizei angerufen und den Hergang verlangt – in der NZZ steht der richtige Hergang.»
Ausserdem hätte er nicht angemessen auf die Publikation reagieren können. Man habe ihn zwar kontaktiert. Sein letzter Stand sei aber gewesen, dass die Geschichte nicht veröffentlicht wird.
Im Übrigen habe er in Rücksprache mit seinem Anwalt die Kantonspolizei Bern gerufen. Die Frau habe ihm im Minutentakt Suiziddrohungen geschickt. Aber: «Die Kantonspolizei Bern hatte nie den Auftrag, das Handy zu entwenden.»
«Süffige Geschichte»
Psychoanalytiker Mario Gmür dagegen warf die Frage der Verhältnismässigkeit auf. Die «Seldwyla-Geschichte» von Baden werde in den Medien abgehandelt «wie eine nationale Katastrophe» – eine «süffige Geschichte am Ende des Sommerlochs».
Wie jeder «Shitstorm» werde aber auch diese Affäre irgendwann ausgestanden sein, sagte Medienrechtler Peter Studer, ehemaliger Präsident des Schweizerischen Presserates. «Das Leben wird weitergehen», schlussendlich zähle die Leistung. Müller dürfe damit rechnen, dass einmal «ein anderer Tag anbreche».
«Genug für ein öffentliches Interesse»
Für ihn ist aber auch klar: «Es ist eine führende politische Person. Es sind Sachen passiert im Stadthaus, die normalerweise nicht passieren. Es hat Aspekte gegeben von einem rätselhaften Polizeieinsatz. Das langt, um ein öffentliches Interesse zu konstituieren.»
Jedoch gebe es keine klare Linie zwischen öffentlichem und privatem Interesse. Es brauche eine sorgfältige Güterabwägung. Er habe den Eindruck, dass diese Güterabwägung stattgefunden hat. Deswegen sei der erste Artikel für ihn korrekt gewesen.