Der Bundesrat will den automatischen Informationsaustausch mit anderen Staaten umsetzen. Er schickt deshalb zwei Vorlagen in die Vernehmlassung, wie Eveline Widmer-Schlumpf an ihrer heutigen Medienkonferenz bekannt gab.
Die Vernehmlassung dauert bis am 21. April 2015. Konkret geht es einerseits um das Amtshilfeübereinkommen des Europarats und der OECD, andererseits um einen gemeinsamen Meldestandard.
Drei Möglichkeiten des Informationsaustauschs
Im Amtshilfeabkommen werden die rechtlichen Grundlagen für die Amtshilfe zwischen der Schweiz und den anderen Vertragsparteien geregelt. Die Übereinkunft sieht drei Formen des Informationsaustausches vor:
- auf Ersuchen: Diesen Austausch hat die Schweiz bereits 2009 eingeführt und in zahlreichen Doppelbesteuerungsabkommen und Steuerinformationsabkommen geregelt. Tritt die Schweiz dem Amtshilfeübereinkommen bei, kann sie mit mehr Partnerländern auf Ersuchen Informationen austauschen.
- spontan: Bei dem spontanen Informationsaustausch werden Angaben nicht auf Ersuchen hin erteilt, sondern dann, wenn ein mögliches Interesse eines anderen Staates an einem bestimmten Sachverhalt vermutet wird.
- automatisch: Beim automatischen Informationsaustausch (AIA) werden festgelegte Informationen einmal jährlich automatisch übermittelt. Der AIA betrifft nur Finanzdaten.
Bis heute war es den Steuerbehörden untersagt, spontan Informationen weiterzugeben. Die Umsetzung der Vorlage sei gewissermassen ein Kulturwandel für die kantonalen Steuerbehörden, sagte Christoph Schelling vom Staatssekretariat für internationale Finanzfragen.
Bankgeheimnis wird «umgedreht»
Wenn also eine Schweizer Steuerbehörde von möglichen Ungereimtheiten in den Steuerangelegenheiten einer Person weiss, die auch ausländischen Steuerbehörden Rechenschaft ablegen muss, muss sie diese den ausländischen Behörden melden. Allerdings mit dem nötigen Augenmass, wie Schelling festhielt. Damit würde den ausländischen Behörden erleichtert, an die unversteuerten Gelder einer Person heranzukommen.
Das Bankgeheimnis, das dies bis vor kurzem verhindert hat, wird so nicht nur nichtig. Sondern es wird quasi umgedreht: Die Steuerbehörden sollen nicht mehr im Interesse des Einzelnen schweigen, sondern in einem möglichen Interesse des ausländischen Staates die Informationen weitergeben. Mit dieser Bestimmung würde es ausländischen Personen verunmöglicht, in der Schweiz undeklarierte Gelder zu verstecken. Der spontane Austausch würde beispielsweise auch Informationen über Immobilien enthalten.
Vereinbarung zur Vereinheitlichung des Standards
In Vernehmlassung schickt der Bundesrat auch eine weitere Vorlage: über die Multilaterale Vereinbarung der zuständigen Behörden über den automatischen Informationsaustausch, kurz MCAA (Multilateral Competent Authority Agreement).
Sie stützt sich auf Artikel 6 des Amtshilfeübereinkommens. Sie legt fest, wer welche Informationen über welche Konten zu sammeln hat. Nicht alle Bestimmungen des MCAA sind justiziabel und direkt anwendbar. Deshalb erlässt der Bundesrat ein flankierendes Bundesgesetz. Für die Rechte der Betroffenen gilt grundsätzlich das Datenschutzgesetz. Die Informationen, welche die Schweiz aus dem Ausland erhält, darf sie verwenden.
Der Bundesrat schlägt auch vor, dazu zwei Erklärungen abzugeben. In der Schweiz werden erstens in der Regel betroffene Personen über den bevorstehenden Informationsaustausch informiert. Zweitens werden Gesuche ausländischer Behörden, Steuerprüfungen in der Schweiz selbst durchzuführen, nicht bewilligt. Zur Leistung von Rechtshilfe im Rahmen der internationalen Vereinbarungen sei die Schweiz allerdings verpflichtet, sagte Widmer-Schlumpf.
Wie geht es weiter?
Nach dem Zeitplan des Bundesrates würde der erste automatische Informationsaustausch 2018 erfolgen. Die Landesregierung sieht vor, ihre Botschaften dem Parlament im Sommer 2015 vorzulegen, so dass die Eidgenössischen Räte die Vorlagen ab Herbst 2015 beraten könnten. Auch mit einem allfälligen Referendum könnten die Rechtsgrundlagen ab Anfang 2017 in Kraft gesetzt werden.