Das Einfamilienhaus ist ein Erfolgsmodell. Von den Wohngebäuden, die seit dem Jahr 2000 in der Schweiz erstellt wurden, sind drei Viertel Einfamilienhäuser. Landschaftsschützern und Raumplanern ist das ein Dorn im Auge. Für sie ist der Haustyp massgeblich Schuld an der Zersiedlung der Schweiz.
Stefan Kurath, Leiter des Instituts Urban Landscape an der Zürcher Hochschule der angewandten Wissenschaften in Winterthur, plädiert für einen pragmatischen Umgang mit dem Phänomen: «Wenn es dieses Einfamilienhaus gibt, wenn es sich nicht verhindern lässt, muss es Mehrwerte für die Gesellschaft in Punkto nachhaltiger Entwicklung bieten.»
Einfamilienhaus auf dem Bauernhof
Kurath und sein Team schlagen zum einen vor, Einfamilienhaus-Siedlungen zu verdichten und dort auch Gewerbe zuzulassen. Zum andern versuchen das Einfamilienhaus mit positiven Begleiterscheinungen zu verknüpfen. Der Architekt schlägt zum Beispiel vor, die vielen leerstehenden Ökonomie-Gebäude auf Bauernhöfen für Wohnzwecke zu nutzen. Das sei kein Problem, weil das Kulturland bereits mit Kanalisation, Wasser- und Elektrizitätsleitungen erschlossen sei. Die vorhandene Infrastruktur könne so effizienter genutzt werden.
Es würden echte Win-Win-Situationen entstehen. «Die Höfe profitieren durch die Gemeinschaft, aber auch durch den Verkauf von Hofprodukten.»
Kopfschütteln beim Landschaftsschützer
Über diese Idee kann Raimund Rodewald nur den Kopf schütteln. Er ist Geschäftsführer der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz. Schon jetzt würden zu viele Wohngebäude ausserhalb der Bauzonen stehen.
Er glaubt, dass diese Bauernhof-Einfamilienhäuser vor allem Städter ansprechen würden, die viel Platz für ihre Autos und den Wohnraum forderten. «Am Schluss sehen diese Häuser aus, wie irgendwo in den Vorstädten und die Identität der bäuerlichen Kulturlandschaft geht völlig verloren», sagt Rodewald.
Ausserdem mache es volkswirtschaftlich keinen Sinn, Wohnsituationen zu verstärken, die ausserhalb der Siedlungsgebiete liegen. Die Erschliessungskosten – zum Beispiel für die Schneeräumung oder die Spitex – wären beträchtlich.
Magerwiese statt Golfrasen
Dem hält der Architekt Kurath ein weiteres Beispiel entgegen. Man könnte dem Einfamilienhaus einen ökologischen Mehrwert verleihen, in dem sich jeder Käufer einer solchen Liegenschaft zur Biodiversität verpflichte.
Anstelle des Golfplatzrasens vor dem Haus, solle es Flächen geben, die der Natur überlassen werden. «Man kann ums Haus laufen, aber man darf nicht jede Woche den Rasen mähen.»
Für Landschaftsschützer Rodewald klingt das zwar schön, aber «man muss auch sehen, dass dieser Rasen mit dem dazugehörigen Thujazaun eben auch Teil dieses Traumes Einfamilienhaus ist, welcher sich so fatal zeigt.»
Eines ist Stefan Kurath, seinem Team und ihren Einfamilienhaus-Modellen im Buch «Zukunft Einfamilienhaus?» gewiss: Für Diskussionsstoff ist gesorgt.