Die viel zitierte «Energiewende» hat noch einen langen Weg vor sich. In verschiedenen Kernfragen ist vieles noch ungeklärt.
Damit erneuerbare Energien tatsächlich ausgebaut werden, will der Bundesrat die Subventionen aufstocken. Heute bezahlen Konsumenten 0,45 Rappen pro Kilowattstunde Strom in den Subventionstopf. Diese Abgabe soll sukzessive auf fast 2 Rappen anwachsen. Wirtschaft und Strombranche bekämpfen zu hohe Subventionen wegen der Kosten und der Marktverzerrung. Sie wollen stattdessen die AKW länger am Netz behalten oder mehr Strom importieren. Grossverbraucher sollen von der Abgabe befreit werden. Doch je stärker die Industrie entlastet wird, desto mehr kostet die Energiewende schliesslich Dienstleistungsbetriebe und Haushalte.
Laufzeiten der Atomreaktoren
Eine weitere Knacknuss ist das Abschaltdatum der AKW. Der Bundesrat hält an der Praxis fest, wonach die Anlagen so lange laufen dürfen, wie die Sicherheitsanforderungen erfüllt sind. Die Grünen verlangen eine Laufzeit von höchstens 45 Jahren - mit Leibstadt ginge damit 2029 das letzte Werk vom Netz. Auch hier spielt die Finanzierung des Ausstiegs eine Rolle.
Umstrittene Gaskraftwerke
Um Schwankungen im Netz auszugleichen und die Versorgung jederzeit sicherzustellen, braucht es für den Atomausstieg laut Bundesrat bis 2020 ein grosses Gaskraftwerk. Später könnten - je nach Entwicklung des Stromverbrauchs - weitere Gaskraftwerke nötig werden. Doch für die Stromkonzerne ist es möglicherweise auf Jahre hinaus lukrativer, Strom zu importieren, statt Geld in ein hiesiges Gaskraftwerk zu investieren. Ausserdem widerspricht die Verstromung von Gas den Klimazielen.
Energieeffizienz als grösstes Sparpotenzial
Für die Gebäude und deren Beheizung wird fast die Hälfte aller Energie verbraucht. Hier erkennt der Bundesrat das grösste Sparpotenzial. Um energetische Sanierungen voranzutreiben, schlägt er die Verdoppelung der Fördermittel auf 600 Millionen Franken jährlich vor. Einerseits soll dafür die CO2-Abgabe auf Brennstoffe ansteigen, anderseits verlangt der Bund auch von den Kantonen mehr Geld. Ein weiterer Sanierungsanreiz sind zusätzliche Steuererleichterungen. Wegen drohender Mindereinnahmen bei Bund und Kantonen dürften sie aber bekämpft werden.
Zur Effizienzsteigerung beitragen sollen auch Unternehmen und Stromkonzerne. Ersteren winkt die Entlastung von Abgaben, wenn sie den Energieverbrauch senken. Letztere will der Bundesrat dazu verpflichten, den Stromverkauf kontinuierlich zu senken. Die Stromkonzerne stehen diesem Vorschlag skeptisch gegenüber. Sie setzen auf Freiwilligkeit und Marktlösungen statt auf Zwang.
Weniger Schutz für die Landschaft
Wie stark soll der Landschaftsschutz für den Ausbau der Wasser- und Windkraft und des Leitungsnetzes aufgeweicht werden? Schwer zu schlucken ist für die Umweltverbände, dass Nutzung und Ausbau erneuerbarer Energien künftig von «nationalem Interesse» sein sollen, also gleich oder sogar höher als die Interessen des Umwelt- oder Landschaftsschutzes zu gewichten wären.
Probleme bereiten auch die Nutzung von Sonnen- und Windenergie. Diese fällt unregelmässig an. Das stellt das Gesamtsystem vor grosse technische Schwierigkeiten. Für sonnige Sommertage muss die Kapazität von Netz und Speicherung genügend ausgebaut werden, ansonsten geht überschüssige Energie verloren. Die Betreiber von Pumpspeicherkraftwerken wünschen für ihren Ausgleichsbeitrag deshalb eine Zulage. Andererseits fehlt im Winter, wenn der Stromverbrauch am höchsten ist, ein grosser Teil der Solarenergie.
Abkommen mit der EU
Der Atomausstieg und das absehbare Versiegen der privilegierten AKW-Stromlieferungen aus Frankreich lassen mittelfristig den Schweizer Bedarf an EU-Strom ansteigen. Je weniger die Ziele fürs Stromsparen und für den Ausbau der Erneuerbaren erreicht werden, desto mehr Strom wird die Schweiz importieren müssen. Deshalb gewinnt der Abschluss eines Stromabkommens mit der EU in einigen Jahren an Bedeutung.