SRF: Herr Szvircsev-Tresch, stehen die Resultate dieser Studie im Gegensatz zu den letzten Abstimmungsresultaten? Ein Beispiel: In der Studie steht, 52 Prozent der Bevölkerung sind für eine autonome Landesverteidigung.
Tibor Szvircsev-Tresch: Der Gripen ist mit einer autonomen Landesverteidigung nicht gleichzusetzen. Wenn wir das Bild «die Schweizer Armee» nehmen, dann stellen sich viele Leute Soldaten mit dem Sturmgewehr vor, und nicht unbedingt hochtechnisierte Flugzeuge.
Auch ein anderer Wert war auch höher als in den letzten Jahren, nämlich, dass die Schweizer Armee-freundlich seien.
Im letzten September hat das Volk über die Abschaffung der Wehrpflicht abgestimmt. Unsere Interpretation ist die, dass diese Initiative einen Effekt hatte.
Was hat denn der Bundesrat bei der letzten Abstimmung falsch gemacht?
Nichts. Wir haben nämlich noch eine Zusatzfrage gestellt: Möchten Sie den Gripen kaufen? Schon bei unserer Umfrage haben 50 Prozent der Befragten nein gesagt. Das bedeutet, Armee und Gripen sind zwei verschiedene Paar Schuhe.
65 Prozent sind harte oder so genannte weiche Befürworter einer Öffnung der Schweiz. Wie passt das zur Annahme der Masseinwanderungsinitiative der SVP?
Die Öffnungsbereitschaft ist eine politische Frage. Die Masseneinwanderungsinitiative hingegen war eine migrationspolitische Frage. Es geht um die Frage, was wir als Bedrohung anschauen. Neben Cyberattacken, was dem Snowden-Effekt zuzuschreiben ist, haben wir die Migration als Bedrohungsform. Und das passt 1:1 zu der Masseneinwanderungsinitiative.
Wenn man eine Armee will, die subsidiäre Einsätze ausführt, zum Beispiel Katastrophenhilfe und Bewachung des WEF, braucht man da nicht eine andere Armee?
Wir haben verschiedene Armeeaufgaben. Eine ist die Unterstützung der zivilen Behörden, dann gibt es den Verteidigungsauftrag und die Auslandeinsätze. Die subsidiären Einsätze bilden für die Bevölkerung einen Schwerpunkt. Das heisst, Umweltschutz, Katastrophenhilfe im Inland und auch die Abwehr von Cyberattacken…
Für die Abwehr der Cyberattacken brauche ich aber keinen Füslilier…
Natürlich nicht. Wir haben aber noch die anderen Armeeaufgaben. 48 Prozent der Bevölkerung sagt, die Verteidigung soll weiterhin den gleichen Stellenwert haben. Aus den Zahlen ergibt sich eine leichte Verschiebung der Gewichtung hin zur Unterstützung. Aber die ursprüngliche Aufgabe der Armee wird weiterhin als wichtig erachtet.
Eine andere Erkenntnis, die Sie gewonnen haben: Die Jungen und die Alten sind eher konservativ. Früher dachte man, die Jungen seien progressiv. Wie erklären Sie sich das?
Wenn man frühere Studien anschaut, kann man tatsächlich sagen, die Alten sind konservativ und die Jungen sind progressiv. Das hat sich in gewissen Fragen geändert. Bei den Neutralitätsfragen sind die jüngsten Befragten, die 18- bis 29-jährigen, wie auch die über 60-Jährigen, mehr oder weniger gleicher Meinung. Das gilt auch für die politische Annäherung: Die jüngsten und die ältesten Befragten sind am stärksten gegen einen EU-Beitritt. Die Befragten im mittleren Alter sind progressiver.
Warum?
Die Jungen sind mit einem Bedrohungsempfinden gegen aussen aufgewachsen. Jemand, der heute zum Beispiel 24 Jahre alt ist, war bei 9/11 noch in der Primarschule. Die jungen Erwachsenen haben auch die Wirtschaftskrise in der EU erlebt. Sie kennen nichts anderes. Sie wollen die Sicherheit, die man in der Schweiz hat, aufrechterhalten.
Das Gespräch führte Peter Vögeli.