Integration wäre an sich Resultat einer Milchbüechlirechnung: Tausende Schweizer (Lehr-)stellen sind unbesetzt, Tausende Flüchtlinge würden gerne lernen und arbeiten. Doch der «Club» hat gezeigt: Dem Gros der Wirtschaft sind solche Projekte noch zu aufwendig, zu teuer, zu riskant.
Glücklicherweise gibt es – jetzt schon – Schweizer Unternehmen, die sich in der Flüchtlingsfrage ein Herz gefasst haben. Sie ermöglichen eine Integration, wie sie intuitiv richtig erscheint; eine Integration über Beschäftigung. Drei Beispiele:
Ikea Schweiz: Flüchtlingen sei Eintritt in Berufswelt erschwert
Ikea Schweiz plant sechsmonatige Praktika für Flüchtlinge. Ihr Motiv ist laut Mediensprecher Aurel Hosennen jene «Lücken zu schliessen zwischen Flüchtlingen, die sich in einem neuen gesellschaftlichen Umfeld zurechtfinden müssen, und einer Arbeitswelt, die Bedarf an Arbeitskräften hat.»
Die Flüchtlinge können entweder keine Referenz angeben, oder die entsprechenden Personen sind nicht erreichbar.
Ferner weiss der Konzern um die «Schweizer Referenzkultur», die den Flüchtlingen den Eintritt in die Arbeitswelt erschwert. «Wenn sich jemand um eine Stelle bewirbt, fragt der künftige Arbeitgeber beim früheren Arbeitgeber nach. Die Flüchtlinge können entweder keine Referenz angeben, oder die entsprechenden Personen sind nicht erreichbar.»
Schliesslich könne und wolle Ikea Schweiz von jahrzehntelanger interkultureller Erfahrung profitieren: «Schon viele Menschen mit Migrations- oder Flüchtlingshintergrund arbeiten für Ikea Schweiz. Menschen aus über 90 Nationen sind bei unserem Unternehmen angestellt.»
Die Praktika sollen noch im laufenden Halbjahr 2016 beginnen und pro Einrichtungshaus und Semester je zwei Personen eine Ausbildung ermöglichen. «Hochgerechnet auf die gesamte Ikea Schweiz sind das 40 Praktikumsplätze pro Jahr.»
Als mögliche Einsatzgebiete der Flüchtlinge sieht das Unternehmen die Logistik oder Gastronomie. Einzige Voraussetzung für eine Berücksichtigung: Der immigrierte Bewerber muss einen Status «als schutzbedürftiger Flüchtling mit einer Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung» aufweisen.
Micarna: Mangel an Fachkräften in diversen Bereichen
Den Flüchtlings-Status schreibt auch Fleischverarbeiter Micarna gross, der voraussichtlich im Sommer 20 bis 24 Menschen aus Krisenländern ein Ausbildungsprogramm bietet – 10 bis 12 am Standort Courtepin (FR) und weitere 10 bis 12 am Standort Bazenheid (SG).
Laut Roland Pfister, Mediensprecher Micarna, will die Migros-Tochter nämlich «eine gewisse Sicherheit haben, dass die ausgebildeten Personen das Land nicht kurz nach ihrer Ausbildung wieder verlassen müssen.»
Selbst gute Positionen als Werkstattchefs haben wir seit längerem ausgeschrieben und bisher nicht besetzen können.
Der Anreiz von Micarna ist nebst dem sozialen Gedanken ein wirtschaftlicher. Laut Pfister herrsche nämlich in der Lebensmittelindustrie ein grosser Fachkräftemangel. «Wir reden hier nicht nur von Metzgerberufen», betont er. «Sondern auch von Beriebselektrikern und Hauswirtschaftsangestellten. Selbst gute Positionen als Werkstattschefs haben wir seit längerem ausgeschrieben und bisher nicht besetzen können.»
Den Vorzug böte man denjenigen Flüchtlingen, die schon jetzt temporär für Micarna arbeiteten und die interessiert daran seien, eine Ausbildung zu machen. «Diese Ausbildung würden sie dann für dasselbe Salär leisten, das sie bis anhin für ihre Anstellung bekommen haben.»
Schwierigkeiten bei einer Integration via Anstellung könnten laut Pfister mangelnde Sprachkenntnisse sein. Doch hielte sich die Skepsis insofern in Grenzen, als man in Sachen Interkulturalität und -lingualität nicht unerprobt sei. «Die Micarna hat schon vor Jahrzehnten Immigranten aus Südeuropa, Portugal, Spanien und der Türkei eingestellt und ist dementsprechend erfahren.»
Planzer Transport: Kritik von arbeitslosen Landsleuten geerntet
Für das Jahr 2017 hat sich auch das Transport- und Logistikunternehmen Planzer vorgenommen, Flüchtlingen Praktikumsstellen zu bieten. Laut Mediensprecher Jan Pfenninger wären diese Menschen namentlich in der Lagerlogistik-Branche gut integrierbar. Der Grund: Hier müsse man nicht zwingend berufliche Vorkenntnisse mitbringen.
Wir möchten zusätzliche Praktikumsstellen schaffen und nicht bestehende Stellen auf Kosten von eigenen Landsleuten mit Flüchtlingen besetzen.
Dass Planzer einer noch unbestimmten Zahl von Flüchtlingen eine Chance bieten möchte, erklärt Pfenninger mit der buchstäblich familiären Firmenkultur: «Planzer ist nun bereits in der vierten Generation ein familiengeführtes Unternehmen.» Und «wir fühlen uns mitverantwortlich, den geflohenen Menschen eine Perspektive zu geben.»
Vorbehalte hat Planzer keine, erachtet die Firma eine Zusammenarbeit mit Menschen aus anderen Kulturen doch grundsätzlich als ein «Geben und Nehmen». Doch solle das keineswegs heissen, dass das Projekt nicht auch seine Tücken habe. Konkret hätte der Konzern von Dritten für seinen Plan harsche Kritik einstecken müssen.
«Nach Publikation unseres Plans haben sich teilweise ältere Schweizer beklagt, dass sie sich bei uns beworben hätten und sie abgewiesen worden seien. Sie haben unterstellt, dass ihnen die Flüchtlinge die Jobs wegnähmen.»
Dazu Pfenninger: «Es ist uns wichtig, diesen Eindruck zu berichtigen. Wir möchten zusätzliche Praktikumsstellen schaffen und nicht bestehende Stellen auf Kosten von eigenen Landsleuten mit Flüchtlingen besetzen. Und schon gar nicht wollen wir billigere Arbeitskräfte engagieren.»