Die Auswertung der «Panama Papers» zeigt exemplarisch, womit es heutige Journalisten mitunter zu tun haben: Immense Datenmengen müssen ausgewertet und auf ihre Stichhaltigkeit hin überprüft werden. Der Aufwand ist riesig, es braucht neue Methoden – wie den Datenjournalismus. Dieser werde in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen, sagt Spezialistin Alexandra Stark.
SRF News: Rechtfertigt das Ergebnis der Enthüllungen um die «Panama-Papers» den immensen Aufwand, den das beteiligte Journalistennetzwerk betrieben hat?
Alexandra Stark: Unbedingt. Das Resultat zeigt, dass – wenn 400 Leute recherchieren – substanzielle Informationen herauskommen, die man so sonst niemals hätte finden können.
Offenbar braucht es also einen Verbund von Journalistinnen und Journalisten – eine einzelne Redaktion kann solche Mengen an Daten nicht mehr alleine stemmen. Stimmt das?
Auf jeden Fall. Das hat aber auch mit der Komplexität des Falles zu tun. Denn es stecken ja viele Institutionen dahinter, die sich zusammengetan haben, um Zusammenhänge zu verschleiern. Das können einzelne Personen gar nicht herausfinden. Dazu braucht es viele Leute, die zusammenarbeiten.
Wie nachhaltig ist denn solcher Datenjournalismus?
Es kommt darauf an, was nun mit dem Resultat passiert. Grundsätzlich sind jetzt genügend Hinweise und Beweise da, denen man nachgehen kann und muss. Auf der anderen Seite haben wir Journalisten viel über Datenjournalismus und dessen Möglichkeiten gelernt. Das wird Auswirkungen auf die weitere Entwicklung des Journalismus haben.
Rettet die Disziplin Datenjournalismus also den altehrwürdigen Journalismus?
Der Journalismus kann nur durch gute Arbeit gerettet werden. Datenjournalismus ist eine Technik, wie jede andere Art von Journalismus auch. Mit ihm wird das Portfolio des Journalismus ausgeweitet, und es ist durchaus sinnvoll, den Datenjournalismus zu nutzen. Doch von Rettung kann keine Rede sein.
Können sich Redaktionen auch bloss mit dem «Mäntelchen» Datenjournalismus schmücken?
Wenn das Resultat gut ist und Missstände aufgedeckt werden, würde ich eher von notwendiger Arbeit als von «Mäntelchen» sprechen.
Ist den Journalisten bewusst, welche Bedeutung der Datenjournalismus hat?
Die Disziplin ist ein relativ junges Feld. Der Datenjournalismus ist sehr technisch und die meisten Journalisten tun sich damit noch ein bisschen schwer, denn eigentlich sind sie daran gewöhnt, mit der Sprache zu arbeiten. Doch der Datenjournalismus wird sich etablieren und viele Journalisten werden ihn in Zukunft nutzen.
Die Journalisten, welche die Daten auswerten, sind ja irgendwie zu den Daten gekommen. Die Crux ist nun, dass dies zum Teil illegal geschieht, zum Beispiel wenn Daten gehackt werden. Ist das ein Problem?
Ja. Die journalistische Arbeit unterliegt rechtlichen und ethischen Grundsätzen, die man nicht ausser Acht lassen kann. Es muss dann abgewogen werden, ob das öffentliche Interesse überwiegt und die Daten deshalb publiziert werden sollen.
Wie steht es mit dem Problem, dass die Quellen manchmal nur schwer zu verifizieren sind?
Je interessanter und umstrittener ein Thema ist, desto schwieriger wird es, die Quellen zu verifizieren. Gerade wenn es um soviel Geld geht, ist das aufwendig. Denn die andere Seite scheut ja auch keinen Aufwand, um ihre Machenschaften zu verstecken.
Ist der Datenjournalismus die letzte Möglichkeit, damit wir von den Mächtigen nicht abgehängt werden? Denn sie versuchen ja, möglichst viel vor den Journalisten zu verstecken?
Recherche ist grundsätzlich wichtig im Journalismus, und Datenjournalismus ist eine der Möglichkeiten, um zu recherchieren. Er ersetzt andere Wege der Recherche wie Hintergrundgespräche oder das Sichten von Dokumenten aber nicht. Allerdings ist der Datenjournalismus eine wichtige Ergänzung, weil er uns die Möglichkeit gibt, Datensätze, die bislang zu gross und komplex waren, zu analysieren. So können wir zu Informationen kommen, die wir über ein Gespräch niemals erhalten würden.
Das Gespräch führte Simon Leu.