Thomas Huonker vom Verein Fremdplatziert ist mit Entscheid des Runden Tisches nicht ganz einverstanden. «Wir hätten uns eigentlich erhofft, dass die Soforthilfe mit konkreten Zusagen in einer konkreten Höhe des Betrags» verbunden gewesen wäre. Statt dessen habe man die Diskussion darüber auf den Januar verschoben.
Auch weitere finanzielle Unterstützungen in Form eines Solidaritätsfonds für alle Betroffenen seien jetzt noch nicht beschlossen. Ähnliches gelte für den Härtefallfonds für jene Betroffenen, die traumatisiert oder schwer beeinträchtigt sind; sozial, gesundheitlich oder ökonomisch.
Fonds in wenigen Monaten aufbauen
Nachdem das Thema fürsorgerische Zwangsmassnahmen in der Schweiz jahrelang tabuisiert worden war, geht es nun etwas vorwärts in der Aufarbeitung der Geschichte. «Betroffene in Notsituationen sollen eine finanzielle Soforthilfe erhalten», sagt SRF-Inlandredaktor Roland Wermelinger nach dem zweiten Runden Tisch in Chur. Es ist geplant, einen Härtefall- oder einen Solidaritätsfonds und planen, und bis in wenigen Monaten eine Soforthilfe für Betroffene aufzubauen.
Für die Soforthilfe sollen Finanzierungsmöglichkeiten genutzt werden, die keine vorgängige Schaffung einer gesetzlichen Grundlage erfordern, wie das Bundesamt für Justiz (BJ) mitteilte.
Bis zum nächsten Runden Tisch am 29. Januar 2014 sollen diese Möglichkeiten konkretisiert werden. Ziel sei es, bereits im ersten Halbjahr 2014 Gesuche um Soforthilfe entgegenzunehmen und zu bearbeiten.
Härtefallfonds oder Solidaritätsfonds
Diskutiert wurde auch die langfristige Entschädigung der Betroffenen. So wird die Einrichtung eines Härtefall- oder Solidaritätsfonds durch einen Ausschuss geprüft und konkretisiert.
Aus dem Härtefallfonds würden vor allem Personen unterstützt, die aufgrund einer fürsorgerischen Zwangsmassnahme traumatisiert oder sozial, gesundheitlich oder wirtschaftlich schwer beeinträchtigt worden sind und die heute noch in einer schwierigen Situation leben.
Dieser Fonds bräuchte eine gesetzliche Grundlage. «Da ist wohl die Idee, dass die damaligen Verantwortlichen dann einzahlen: die Gemeinden, die Kantone, der Bauernstand und die Kirchen, vielleicht auch der Bund», sagt Wermelinger.
Die Höhe allfälliger Entschädigungen für die ehemaligen Verdingkinder und die anderen Opfer fürsorgerischer Massnahmen ist noch nicht bekannt. Die Opferorganisationen hatten im Vorfeld des ersten Runden Tisches im Juni konkrete finanzielle Forderungen gestellt. So sollten die Opfer in einem ersten Schritt Nothilfebeiträge von je 10'000 Franken erhalten. Ab 2014 sollten dann Entschädigungen von je 120'000 Franken in Form einer Zusatzrente ausbezahlt werden.
Hohes Alter der Betroffenen
Die Arbeiten und die Umsetzung der beschlossenen Massnahmen sollen wegen des hohen Alters vieler Betroffener mit Hochdruck vorangetrieben werden, schreibt das BJ. Dies erfordere gerade im Hinblick auf gesetzgeberische Arbeiten einen wesentlich stärkeren Einbezug der Verwaltung als bisher.
Aus diesem hat der Leiter der Runde, alt Ständerat Hansruedi Stadler, mitgeteilt, aus Kapazitätsgründen sein Amt als Delegierter des Bundesrates abzutreten. Diese Aufgabe wird künftig der stellvertretende Direktor des BJ, Luzius Mader, wahrnehmen. Seit Dezember 2012 existiert in jedem Kanton eine Anlaufstelle für Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen.