Wie sicher sind Gülen-Sympathisanten in der Schweiz vor der Repression des Machtapparates von Präsident Recep Tayyip Erdogan? Diese Frage lässt sich seit dieser Woche nicht klar beantworten.
Erst gestern wurde bekannt, dass eine Zürcher Privatschule Ziel von Bedrohungen in sozialen Netzwerken geworden war, weil sie dem türkischen Prediger Fethullah Gülen nahestehen soll.
Eine Frau habe auf Facebook die Schliessung der Schule verlangt. Der in Deutschland geborene Direktor der Schule hat darauf die Polizeibehörden über die Drohung informiert.
Botschaft will Schweizer Recht einhalten
Nach der Säuberungswelle in der Türkei erklärte heute die türkische Botschaft in Bern ihre Sicht der Vorkommnisse am Bosporus. Die Rechtsstaatlichkeit sei nicht in Gefahr, beschwichtigte Volkan Karagöz, Botschafter ad interim, vor Journalisten.
Die Türken in der Schweiz hätten nichts zu befürchten, solange sie sich an die Regeln hielten, so Karagöz weiter. «Es gibt keinen Grund zur Sorge für jene Leute, die mit dieser Terror-Organisation nichts zu tun haben, nicht für ihre eigene Sicherheit oder die ihrer Familien.» Dennoch wollen die türkischen Behörden gegen Gülen-Anhänger in der Schweiz juristisch vorgehen.
Hürden auf dem angedrohten Rechtsweg
Er wisse, dass es in der Schweiz einige Institutionen und Personen gebe, die zur Organisation des Predigers Fethullah Gülen gehörten, sagte der türkische Botschafter Karagöz vor den Medien. Gegen sie werde auf juristischem Weg vorgegangen. Einzelheiten nannte der Diplomat nicht. Gegenüber SRF relativierte er aber: Auf Schweizer Territorium seien Schweizer Behörden verantwortlich.
Sowieso dürfte die Türkei Mühe haben, Gülen-Anhänger in der Schweiz juristisch zu verfolgen. Für den angedrohten Rechtsweg gibt es Hürden. Wenn ein ausländischer Staat für ein Strafverfahren Informationen aus der Schweiz benötige, müsse er ein Ersuchen um Rechtshilfe stellen, schreibt das Bundesamt für Justiz (BJ).
Zudem müsste die Türkei ihnen Vergehen nachweisen, die auch hier strafbar sind.
68'000 Türken leben in der Schweiz
Falls ein Staat Personen, die sich in der Schweiz befinden, festnehmen lassen will, müsse er ein Auslieferungsersuchen stellen, so das BJ in der Stellungnahme. Für die Schweizer Rechtshilfe müssten aber bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.
Das BJ erwähnt etwa, dass ein Delikt in beiden Ländern strafbar sein muss. Zudem leiste die Schweiz keine Rechtshilfe, «wenn Gegenstand des Verfahrens eine Tat ist, die nach schweizerischer Auffassung vorwiegend politischen Charakter hat».
Bisher ist im Zusammenhang mit dem Putschversuch kein Rechtshilfeersuchen aus Ankara eingetroffen, wie Ingrid Ryser, stellvertretende Informationschefin im BJ bestätigt.
In der Schweiz leben nach den Zahlen des Staatssekretariats für Migration (SEM) gut 68'000 türkische Staatsangehörige (Stand Ende Mai 2016). Dazu kommen gegen 1000 Asylsuchende und vorläufig aufgenommene Personen.
Zusammen mit den Eingebürgerten wird die Zahl der Einwohner türkischer Herkunft in der Schweiz auf rund 120'000 geschätzt. Davon sind etwa die Hälfte Kurden.