Die neue Erdbeben-Gefahrenkarte sieht rein optisch ein bisschen anders aus. Und legt man die Karte von 2004 neben die druckfrische von heute, erschrickt man: Auf der Karte von 2004 ist das Wallis dunkelrot, Basel orange, der Rest der Schweiz gelb oder sogar grün eingefärbt. Auf der neuen Karte ist nichts mehr grün und viel mehr rot. Rot bezeichnet das Gefährdungsgebiet. Was ist passiert?
Stefan Wiemer, Direktor des Schweizerischen Erdbebendienstes (SED), beruhigt. Insgesamt schätzten er und seine Experten die Gefahr zwar höher ein, aber nicht so viel höher, wie es auf der Karte den Anschein macht: «Der Hauptgrund, weshalb die Karte so anders aussieht, ist der, dass wir darauf hinweisen wollen, dass die ganze Schweiz ein Erdbebenland ist. Es gibt Regionen, die mehr gefährdet sind: Wallis, Graubünden, Basel.» Ein Gebiet, das gar nicht gefährdet sei, gebe es nicht.
Neue Gefahrenkarte im Internet
Darum gibt es also kein Grün mehr auf der neuen Karte. Bei den regionalen Unterschieden der Erdbebengefahr bleibt die Einschätzung des Erdbebendienstes ähnlich wie bei der letzten Karte. Mit Abstand am wahrscheinlichsten sind Erdbeben im Wallis – auch stärkere. Gefolgt von Basel und Graubünden, wobei in Graubünden die Gefahr aufgrund der neuen, differenzierteren Daten des Erdbebendienstes etwas höher eingeschätzt wird.
Aktueller sind nicht nur die Daten und die Karten. Verbessert haben die Wissenschaftler auch, wie jeder und jede diese anschauen kann: Nämlich ganz einfach im Internet.
Stefan Wiemer zeigt es auf seinem Tablet-Computer am Beispiel Wallis: «Man kann alles auf dieser Webseite anklicken. Ein Beben der Magnitude 6: Wie oft kommt das in den nächsten 100 Jahren vor? Auf der Karte kann ich ablesen, dass die Chance, dass ich das erlebe, etwa bei 50 bis 60 Prozent sind.» Darüber könne man sich als Walliser durchaus Gedanken machen.
Keine Vorhersagen
In den Regionen Basel und Graubünden liegt diese Wahrscheinlichkeit, dass sich ein schweres Erdbeben innert 100 Jahren ereignet, unter 20 Prozent, in Zürich oder Aarau sogar unter 10 Prozent. Doch Vorhersagen lassen sich Erdbeben auch mit der neuen Karte nicht. Sie können jederzeit und überall passieren.
Zudem ist es diejenige Naturgefahr, die am meisten Schäden verursachen kann. Trotzdem fehlt in der Schweiz – im Unterschied zu manch anderen europäischen Staaten – nach wie vor eine landesweite Erdbebenversicherung.
Letztes Jahr hat sich wieder eine Mehrheit der Kantone gegen eine gesamtschweizerische Lösung ausgesprochen. Es ist allerdings denkbar, dass die neue Erdbebenkarte ohne grün gefärbte, vermeintlich sichere Regionen die Diskussion um eine landesweite Erdbebenversicherung wieder in Gang bringt.