Das AKW Beznau soll vom Netz. Das verlangen 15 Anwohner sowie die Umweltverbände «Trinationaler Atomschutz-Verband» (Tras), «Greenpeace Schweiz» und «Schweizerische Energiestiftung» in einer Klage.
Das Atomkraftwerk würde einem schweren Erdbeben nicht standhalten, argumentieren sie. Eine 2011 durchgeführte Analyse habe gezeigt, dass bei einem Beben unzulässige Mengen radioaktiver Strahlung freigesetzt würden.
Rudolf Rechsteiner: Andere Grenzwerte
Anwohner und Umweltverbände werfen zudem dem Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) vor, die Strahlenschutz-Grenzwerte falsch anzuwenden. «Das Ensi schützt die AKW-Betreiber statt die Bevölkerung», wird Rudolf Rechsteiner, Vizepräsident von Tras, in einer Medienmitteilung der Umwelt-Organisationen zitiert.
Das Ensi selber habe gesagt, bei einem Erdbeben träte eine maximale Strahlung von 78 Millisievert ein, ergänzt der ehemalige Basler SP-Nationalrat gegenüber Radio SRF: «Der richtige Grenzwert beträgt aber ein Millisievert. Das heisst, das AKW Beznau darf nie wieder in Betrieb gehen.»
Das Ensi versteckt und vertuscht und verletzt die Gesetze.
Dazu kommt laut Rechsteiner, dass für die Bemessung der Verstrahlung derzeit nur die Zeit während eines Jahres nach einem Unfall gelte. Fukushima und Tschernobyl hätten aber gezeigt, dass die Verstrahlung viel länger dauere. Bei Cäsium betrügen die Halbwertszeiten 30 Jahre. Das Ensi verwende somit nur einen Bruchteil der effektiven Dosis, um den Atomkraftwerken den Weiterbetrieb zu erlauben.
Die Kommission für nukleare Sicherheit als beratendes Gremium des Bundesrats habe auf das Problem aufmerksam gemacht, doch geschehen sei nichts, kritisiert Rechsteiner. Sein Urteil: «Das Ensi versteckt und vertuscht und verletzt die Gesetze.»
Dabei sei die Gesetzeslage klar, und Beznau müsse unverzüglich ausser Betrieb genommen werden, heisst es weiter. Hätte die Aufsichtsbehörde die korrekten Grenzwerte für seine Beurteilung herangezogen, wäre Beznau sofort abgeschaltet worden.
ENSI beruft sich auf Fachgremien
Das ENSI werde das Gesuch der «Kernenergie-Gegner» prüfen und zu gegebener Zeit Stellung nehmen, teilte die Behörde auf ihrer Homepage mit. Bei der Berechnung des Dosisgrenzwertes stütze sich das ENSI auf die Gefährdungsannahmeverordnung des UVEK.
Die Definition des Grenzwertes sei mit Fachgremien besprochen werden, die diese für konform mit den Anforderungen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) befunden habe. Die Bestimmungen würden ein «gutes Sicherheitsniveau» gewährleisten.
Axpo weist Vorwürfe zurück
Die Betreiberfirma Axpo dementiert hingegen alle Vorwürfe. Das Kernkraftwerk Beznau erfülle die höchsten Sicherheitsstandards. Jede Auflage der Behörden werde jederzeit eingehalten und die Nachweise zur Erdbebensicherheit der Anlage seien allesamt erbracht worden.
Für die Beznau-Betreiberin Axpo kommt die Klage sehr ungelegen. Sie investiert derzeit 700 Millionen Franken, um das AKW noch mehr als ein Jahrzehnt länger betreiben zu können. Das älteste Kernkraftwerk der Welt steht derzeit aber unter besonderer Beobachtung. Mitte Juli musste der Block 1 abgeschaltet werden, weil die Techniker in den Stahlwänden des Reaktordruckbehälters Unregelmässigkeiten festgestellt hatten. Beznau 1 liefert frühestens Anfang nächstes Jahr wieder Strom.
Entscheid für oder gegen feste Laufzeiten hängig
Dass die Gegner jetzt ausschliesslich auf Beznau schiessen, obwohl der Sachverhalt auch die Berechnung für alle anderen Kernkraftwerke betrifft, ist ein klares Zeichen dafür, dass es auch eine politisch motivierte Klage ist. Die Gegner platzieren sie in der heissen Phase, jetzt da der Ständerat bald definitiv darüber entscheidet, ob er feste Laufzeiten für die Kernkraftwerke festsetzen will oder nicht.