Die Schlinge um die einstige Führungsspitze des Weltfussballverbandes Fifa zieht sich enger zu: Der stellvertretende Vorsitzende der Fifa-Ethikkommission Djimbaraye Bourngar hat ein neues Untersuchungsverfahren gegen den ehemaligen Fifa-Präsidenten Joseph Blatter, den einstigen Generalsekretär Jérôme Valcke und den entlassenen Finanzchef Markus Kattner eingeleitet.
Den ehemaligen Fifa-Funktionären werden darin fünf Verstösse gegen das Ethikreglement des Weltfussballverbandes vorgeworfen: Verletzung der Loyalitätspflicht, Interessenskonflikte, Annahme und Gewährung von Geschenken sowie Bestechung und Korruption.
23 Millionen in einem Kalenderjahr
Hintergrund des Fifa-Ethikverfahrens sind Zahlungen von Millionengehältern, Boni und Provisionen, welche sich die Beschuldigten gegenseitig zugeschanzt haben sollen. Demnach soll sich das Trio laut einer internen Fifa-Untersuchung in den vergangenen fünf Jahren gegenseitig über 79 Millionen Schweizer Franken abgesegnet und ausbezahlt haben. Darunter erhielten Blatter, Valcke und Kattner allein im Dezember 2010 Boni in Höhe von 23 Millionen Franken ausbezahlt – offiziell als nachträglichen Bonus für die gelungene Fussballweltmeisterschaft in Südafrika.
Dieser Vorgang erfolgte im Dezember 2010, lediglich einen Tag vor der Abstimmung des Fifa-Exekutivkommitees über die Vergabe der Fussballweltmeisterschaft für die Jahre 2018 und 2022. Den Zuschlag erhielten Russland und überraschend Katar. Seither sehen sich der Wüstenstaat und die Fifa-Verantwortlichen mit Korruptionsvorwürfen im Zusammenhang mit der WM-Vergabe nach Katar konfrontiert. Die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen der Vergabe der Fussballweltmeisterschaft 2018 und 2022 und den Bonuszahlungen an Blatter, Valcke und Kattner besteht, wollten die US-Anwälte der Fifa SRF News vergangenen Juni nicht beantworten.
Umstrittene Vertragsverlängerung im Fokus
Darüber hinaus geht aus den veröffentlichten Dokumenten des Weltfussballverbandes hervor, dass im Mai 2015 der Arbeitsvertrag von Finanzchef Markus Kattner um acht Jahre verlängert wurde – bis Ende Dezember 2023. Diese Vertragsunterzeichnung erfolgte wenige Tage nach der Verhaftungswelle im Zürcher Nobelhotel Baur au Lac durch die US-Justizbehörden.
Weil die Lohn- und Bonuszahlungen wie auch die Vertragsabschlüsse laut dem Weltfussballverband unter der Führung des neuen Präsidenten Gianni Infantino gegen Schweizer Recht verstossen, wurden die mutmasslichen Beweise von den US-Anwälten der Fifa veröffentlicht und der Schweizer Bundesanwaltschaft sowie den US-Justizbehörden übergeben.
Vertraute attackieren Ethikkommission
Joseph Blatter wies die Vorwürfe gegen seine Person bereits vergangenen Juni zurück und bezeichnete die Zahlungen als «sauber und fair». Der ehemalige Generalsekretär Jérôme Valcke war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Der ehemalige Finanzchef Markus Kattner wollte sich gegenüber SRF News zu den erhobenen Anschuldigungen seitens der Ethikkommission ebenfalls nicht äussern. Allerdings betonen Vertraute des gebürtigen Bayreuthers, dass die ausbezahlten Löhne und Boni wie auch die ausgehandelten Verträge den Fifa-internen Reglemente entsprachen und diese darüber hinaus im Einklang mit Schweizer Recht standen.
Ausserdem stellt das Umfeld des ehemaligen Fifa-Finanzchefs die Unabhängigkeit der Ethikkommission unter der Führung des Chefermittlers Cornel Borbély infrage. Der Grund: Trotz erdrückenden Beweisen habe die Ethikkommission den amtierenden Fifa-Präsidenten Gianni Infantino von sämtlichen Beschuldigungen freigesprochen.
Fifa zahlt Infantino ab 2017 einen Bonus
Zur Erinnerung: Die Ethikkommission hatte mehrere Wochen lang eine geheime Untersuchung gegen Gianni Infantino geführt. Dabei standen Kostenübernahmen von umstrittenen Flügen mit Privatjets nach Russland, Katar sowie zum Papst nach Rom im Zentrum der Ermittlungen. Darüber hinaus wurden die Vorgänge bei den Jobbesetzungen im Fifa-Präsidentenbüro sowie das Verhalten des Fifa-Präsidenten in Bezug auf seinen nicht unterschriebenen Vertrag und sein Gehalt unter die Lupe genommen. Tonaufnahmen – welche die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» veröffentlicht hatte – belegen, dass Infantino sein Gehalt von weniger als zwei Millionen Franken als zu tief betrachtete und sich daher weigerte die vorgelegte Gehaltsvereinbarung mit dem Weltfussballverband zu unterschreiben.
Mittlerweile hat der im Februar 2016 gewählte Infantino einen Arbeitsvertrag unterschrieben. Dieser spricht dem Walliser ein Fixgehalt von 1,5 Millionen Franken zu. Zudem erhält Infantino ab 2017 zusätzlich einen Bonus. Im abgewiesenen Vertrag vom März war ein Bonus für den Fifa-Präsidenten nicht vorgesehen.