Geschiedene Väter hatten es bislang nicht einfach: Wenn sie sich um das gemeinsame Kind sorgen wollten, waren sie in den meisten Fällen auf das Wohlwollen der Mutter angewiesen. Ihr wurde in der Regel das Sorgerecht zugesprochen. Der heutige 1. Juli ist für die Väter ein Wendepunkt.
Das gilt auch für den stolzen dreifachen Vater Sandro d'Ippolito. Zwei Kinder im Alter von sechs und neun Jahren hat er aus erster Ehe. Im Scheidungsurteil von 2011 hatte das Gericht die elterliche Sorge allein der Mutter zugesprochen. Er beschreibt die damalige Situation als paradox: «Das stellt man gemeinsam Kinder auf die Welt und plötzlich haben diese eine Alleinerziehungsberechtigte.»
Bis zu 10'000 Gesuche erwartet
Per 1. Juli können geschiedene Väter wie er das Sorgerecht nun rückwirkend beantragen, wenn der Scheidungstermin nicht mehr als fünf Jahre zurückliegt. Experten schätzen, dass bis zu 10'000 Eltern rückwirkend ein Gesuch auf gemeinsame Sorge stellen werden. Bei Paaren, die sich ab heute scheiden oder trennen, geht das Sorgerecht automatisch an beide Elternteile.
Der vor drei Jahren geschiedene D'Ippolito will den Brief ans Gericht noch heute abschicken, um die gemeinsame Sorge für beide Kinder aus erster Ehe zu beantragen. Er wolle wieder mitreden, wenn es etwa um schulische Angelegenheiten, die Lehre oder allfällige medizinische Fragen wie beispielsweise Operationen gehe. Er spricht von einem «grossen Meilenstein und festen Anker» in seinem Leben.
Zerstrittene müssen an den Tisch
Allerdings werden auch mit der Neuregelung nicht alle Sorgen getrennter Väter automatisch vom Tisch verschwinden. Denn gemeinsames Sorgerecht bedeutet, dass Eltern alles, was ihr Kind betrifft, gemeinsam regeln.
Und da beginnen die Probleme je nach dem von Neuem, wenn die Eltern wie eh und je zerstritten sind. Denn über die wichtige Frage etwa, wer die Kinder wann sehen darf, sagt die neue Regelung nichts. Ex-Paare müssen sich da selber einig werden.
«Tatsächlich könnten Rosenkriege andauern», räumt auch der Präsident der Schweizerischen Vereinigung für gemeinsame Elternschaft, Oliver Hunziker, ein. Aber gestritten hätten sich uneinige Eltern auch schon unter der alten Regelung, da beide Einfluss geltend machten. Neu sei immerhin juristisch abgesichert, dass sich die beiden zu einer Entscheidung durchringen müssen, allenfalls mit professioneller Hilfe.
Gerichte wohl weiter gefordert
Die Behörden können die Eltern dazu auffordern, im Interesse des Kindes eine Einigung ohne Richter zu versuchen. Denn das Kindeswohl steht an oberster Stelle. Hunziker macht sich diesbezüglich aber keine Illusionen: «Hoffnungslos verkrachte Eltern rauchen auch nach dem 1. Juli nicht sofort die Friedenspfeife.» Entscheidend sei aber der Paradigmenwechsel: Eltern müssen sich künftig gar nicht mehr um das Sorgerecht streiten, weil das gemeinsame Sorgerecht zum Normalfall wird.
Sandro d'Ippolito freut sich: «Ich bekomme nun zurück, was mir vor drei Jahren weggenommen wurde.»