«Zur Not kann ich ja noch im Zug auf die Toilette», denkt sich, wer eine längere Reise vor sich hat. Im Appenzellerland soll dies in Zukunft nicht mehr möglich sein. Die dortigen Bahnen wollen in den neuen Zügen keine Toilette mehr einbauen. Weil der Platz für eine behindertengerechte Toilette fehlt, wird auch für die anderen Passagiere keine eingebaut, lautet die Begründung.
Es war ein Stich ins Wespennest als die Appenzeller Bahnen vor einer Woche bekanntgaben, dass ihre Passagiere ab 2017 ihre Notdurft nicht mehr während der Fahrt verrichten können. Im Behindertengleichstellungsgesetz steht es schwarz auf weiss: Wenn nicht mindestens ein WC behindertengerecht gebaut werden kann, darf es auch für Menschen ohne Behinderung keine Toilette geben.
Meinungen gehen weit auseinander
«Das ist ein bisschen eine trotzige Haltung», sagt Bruno Eberle. Er ist Vizepräsident der Organisation Pro Bahn Schweiz, die Kunden im öffentlich Verkehr vertritt. Wenn es aufgrund der Zugsbreite nicht möglich sei, ein WC für Behinderte einzubauen, könne man nicht einfach sagen, dass es deshalb für die anderen 98 Prozent der Passagiere kein WC gebe. Es gebe nämlich die Möglichkeit, beim Bundesamt für Verkehr eine Ausnahmebewilligung zu beantragen, so Eberle.
Für das gebe es aber keinen Anlass, ist die Behindertenorganisation Pro Infirmis überzeugt. Es sei ein bisschen eigenartig, dass man versuche, den Schwarzen Peter den Behinderten zuzuschieben, sagt Sprecher Mark Zumbühl. «Das Gesetz haben nicht Menschen mit einer Behinderung erfunden. Und an Gesetze hält man sich in diesem Land.»
Zumbühl versteht die ganze Aufregung nicht: Schliesslich gebe es bereits mehrere Nahverkehrszüge in der Schweiz ohne WC. Beispielsweise auf den Regionallinien Bern-Solothurn oder Basel-Rodersdorf.
Deshalb komme auch die neue Durchmesserlinie der Appenzeller Bahnen gut ohne Toilette aus. Es handelt sich hier um eine Art Tram. «Und in einem Tram hat es auch kein WC, genauso wenig wie es in einem Postauto ein WC hat», sagt Zumbühl.
Letztes Wort noch nicht gesprochen
Trotzdem, das Unverständnis bleibt. Die Fahrzeit von Trogen nach Appenzell beträgt eine gute Stunde. Mit voller Blase und ohne WC eine Qual, findet Eberle von Pro Bahn Schweiz. Er lässt deshalb nicht locker: «Wir können nur in der Öffentlichkeit appellieren, dass man sich das Ganze noch einmal anschaut. Ich bin überzeugt, dass der Fabrikant der Züge im Stande wäre, ein normales WC einzubauen.»
Und siehe da: Die öffentliche Empörung scheint bei den Appenzeller Bahnen Wirkung zu zeigen. Der Mediensprecher zeigt sich gegenüber SRF überraschend gesprächsbereit. Man sei im Moment in Abklärung mit dem Hersteller.
Nächste Woche gebe es ausführlichere Informationen zu dem Thema, das für so viele Emotionen gesorgt habe. Der Zug für ein WC auf Schienen scheint im Appenzellerland also noch nicht abgefahren zu sein.