Der Ton in der Schweizer Politik ist rauer geworden. Gleich zwei Parteipräsidenten werfen der SVP Rechtsextremismus vor. So sieht SP-Präsident Christian Levrat in der Politik der SVP der letzten Monate «klar faschistoide Tendenzen». Dies, nachdem BDP-Präsident Martin Landolt der SVP bereits im August von einer «braunen Politik» gesprochen hatte.
Die Vorwürfe sind wiederum eine Reaktion auf den Aufruf der Jungen SVP, linke Lehrer zu denunzieren, sowie auf die angekündigte Lancierung von zwei kontroversen Initiativen .
Rechtsrutsch der SVP
Für Politologe Daniel Schwarz ist klar: «Die Politik der SVP ist immer extremer geworden. Sie ist je länger je mehr nach rechts gerutscht.» Das zeige die Auswertung von Abstimmungsdaten im Parlament. «Die Partei vertritt zunehmend Maximalforderungen», sagt Schwarz. Den Aufruf zur Denunzierung von linken Lehrern hält er denn auch für «fragwürdig»: «Dies erinnert einen tatsächlich an die Politik der 1930er Jahre in Deutschland.»
Dennoch sei der Nazi-Vergleich verfehlt, so Schwarz: «Ich stelle bei der SVP keine rechtsextremen Tendenzen fest. Rassistische Theorien wie bei der deutschen NPD liegen nicht in der DNA der Volkspartei.»
«Plakate wären früher undenkbar gewesen»
Dieser Meinung ist auch Daniel Bochsler vom Zentrum für Demokratie Aarau. Er versteht die Reaktionen von SP und BDP vielmehr als Ausdruck der Fassungslosigkeit über die Politik der SVP. «Die Parteichefs fragen sich, wie weit die SVP noch geht.»
Seit ihrem Aufstieg in der 90er Jahren habe die Partei ständig politische Tabus gebrochen. So habe sie Plakate aufgestellt, die früher noch undenkbar gewesen wären, etwa bei der Ausschaffungsinitiative (siehe Bild). «Auch vom Polit-Stil her ist der Ton der SVP für Schweizer Verhältnisse ungewohnt ruppig.»
«An der Grenze»
Dazu trete die Partei sehr machtbewusst auf. «Die Parteien haben Angst vor einer dominanten SVP, die auf andere Meinungen keine Rücksicht mehr nimmt», sagt Bochsler.
Die Aussagen von Levrat und Landolt seien also nicht alleine im Zusammenhang mit den kürzlich vorgestellten Initiativen zu verstehen, sondern Ausdruck einer längerfristigen Entwicklung der SVP, die anderen Parteien Sorgen bereite. «Die SVP geht sehr gerne an die Grenze dessen, was in der Schweiz als angebracht gilt.»
Mit ihren Aussagen betrieben Levrat und Landolt eine Politik der einfachen Zuschreibung, stellt Soziologe Ueli Mäder fest. An deren Anfang stehe allerdings die SVP selber: «Ihr ruppiger Polit-Stil fällt jetzt auf die SVP zurück.» Gerade die Volkspartei halte sich nicht zurück, wenn es darum gehe, den Gegner mit historischen Vergleichen zu verunglimpfen – mit Schlagworten wie Kommunismus oder Sozialismus seien die Partei-Exponenten jeweils schnell zur Stelle.
«Keine Mehrheitspartei»
Der Anspruch der SVP, als einzige Partei das Volk zu vertreten, verschärfe den Konflikt zwischen den restlichen Parteien und der SVP noch, sagt Politologe Daniel Schwarz. «Die SVP teilt das Land auf in solche die mit der Partei sind und solche, die gegen sie sind.» Ein Blick auf die Abstimmungsresultate zeige aber, dass der Anspruch, die ganze Schweiz zu vertreten, nicht gerechtfertigt sei. «Die SVP ist weit weg davon, eine Mehrheitspartei zu sein.»
Gleichzeitig stellt Schwarz fest, dass die Partei mit ihren Positionen zum Teil durchaus dem Zeitgeist entspreche. «Im Gegensatz zu den – auch vom Volk befürworteten – Liberalisierungsvorlagen der frühen Nuller Jahre gibt es in den letzten Jahren einen konservativen Gegentrend.» Das sei mit ein Grund dafür, warum Vorlagen wie die Minarett- oder Ausschaffungsinitiative angenommen wurden.
Ratlosigkeit unter den Parteien
Zur Stärke der SVP trage nicht zuletzt bei, dass die übrigen Parteien noch immer nicht wüssten, wie sie auf deren Provokationen reagieren sollen, sagt der Lausanner Politologe Andreas Ladner. «Bei jedem Vorschlag der SVP finden sich ein paar Parlamentarier, die lautstark ihre Opposition kundtun.»
Das stärke wiederum die Position der Volkspartei. «Intelligenter wäre es wohl, erst als Partei eine Strategie festzulegen, und dann mit einer Stimme zu sprechen.»
Rückgang bei den letzten Wahlen
Trotz dem rauen Polit-Stil der SVP rät Politologe Daniel Schwarz zu einem entspannteren Umgang mit der Partei: «Vieles, das im ersten Moment für Entsetzen sorgt, beurteilt man nach ein paar Jahren ganz anders.» Das betreffe beispielsweise das vermeintlich unerschöpfliche Wählerpotenzial der Partei. Nach den letzten Parlamentswahlen habe sich vielmehr gezeigt, dass auch die SVP nicht unendlich an Wählern zulegen könne.