Die Kriminalität sei nun einmal da, er erfinde sie nicht, sagt der Genfer Sicherheitsdirektor Pierre Maudet zu den überfüllten Gefängnissen in seinem Kanton. «Ich bin wie ein Hotelier: Ich bestimme nicht die Auslastung, ich biete lediglich die Betten an.»
Allerdings, so gebe er zu, habe er bei Amtsantritt entschieden, dass es keine Inhaftierungsstopps wegen Platzmangels mehr gebe. Es dürfe nicht sein, dass die Zahl der Gefängnisplätze die Zahl Verhaftungen vorgebe. Vielmehr bestimme die Zahl der Häftlinge die Zahl der nötigen Plätze. Gemäss Maudet sind also Sachzwänge der Grund für die Überbelegung.
Romandie bestraft härter
Die Statistik jedoch lässt Zweifel zu, denn bei der Kriminalpolitik ist die Schweiz zweigeteilt wie in kaum einem anderen Bereich. «In der Romandie werden 54 Prozent aller Freiheitsstrafen der Schweiz ausgesprochen», hat Daniel Fink herausgefunden. Er ist Lehrbeauftragter für Kriminologie an den Universitäten von Lausanne und Luzern.
Und dabei wohnten in der Romandie bloss 26 Prozent der Schweizer Bevölkerung. Für ihn ist klar: In der Romandie gebe es «eine Über-Anwendung der Freiheitsstrafen».
Allein in Genf und Waadt würden mehr als 40 Prozent aller Schweizer Freiheitsstrafen ausgesprochen und wenn man Genf alleine anschaut, ist die Diskrepanz noch grösser: Im Kanton leben weniger als 6 Prozent der Schweizer Bevölkerung, doch werden dort 18 Prozent aller unbedingten Freiheitsstrafen verhängt, bei der Untersuchungshaft sind es sogar 24 Prozent.
Berüchtigte Genfer Untersuchungsrichter
Sicherheitsdirektor Maudet sagt dazu, dass die Genfer Untersuchungsrichter tatsächlich dafür bekannt seien, dass sie schneller einsperren. Ausserdem dauere die Haft länger. «Die Romandie ist halt von der französischen Kultur geprägt; hier wird härter bestraft.»
Einen Einfluss habe auch die Lage an der Grenze: Die Mehrheit der Häftlinge seien illegal in der Schweiz anwesende Ausländer. Wenn man denen mit der elektronischen Fussfessel drohe, dann lachten die bloss.
Das Ausländer-Argument überzeugt den Kriminologen Fink nicht. Denn im Tessin beispielsweise sei die Situation «sehr entspannt». Und auch in St.Gallen, das als Einfallstor für die Migration eine wichtige Rolle spiele, sei die Zahl der Häftlinge viel tiefer. «Hier wären vergleichende Untersuchungen für den Umgang mit Migranten angesagt», regt er an.
Das wäre ein durchaus lohnendes Thema – schon nur, weil die bisherige Politik neue Gefängnisse nötig macht. Kostenpunkt: eine halbe Milliarde Franken.