An einer Medienkonferenz stellte Bundesrat Alain Berset die Leitlinien für die nächste Reform der Invaliden-Versicherung (IV) vor. Drei Zielgruppen fasst der Bundesrat dabei ins Auge: Kinder mit einem anerkannten Geburtsgebrechen, Kinder und Jugendliche mit Teilleistungsschwächen und Verhaltensauffälligkeiten sowie junge und erwachsene Menschen, die psychisch erkrankt sind. Ihnen soll früher effiziente und koordinierte Unterstützung zukommen.
Das werde dazu führen, dass sich ihre Situation grundsätzlich verbessere und ihre Integration verstärkt werde, sagte Berset. Damit werde dem Grundsatz «Eingliederung vor Rente» verstärkt Rechnung getragen.
Renten wegen psychischer Erkrankungen konstant
Innert zehn Jahren gingen die Neurenten um die Hälfte zurück. Doch bei der Gruppe der psychisch Erkrankten blieb sich die Anzahl der Neurenten gleich. Fast die Hälfte, nämlich 44 Prozent der Menschen, die in der Schweiz eine Rente der Invalidenversicherung beziehen, erhalten diese wegen einer psychischen Erkrankung.
Dies kann implizit als eine Auswirkung mehrerer Bundesgerichtsurteile interpretiert werden: Das Bundesgericht hat in der Vergangenheit Rentenanträge aufgrund nicht nachweisbarer körperlicher Leiden zurückgewiesen. In der Folge könnten diese vermehrt als psychische Erkrankungen taxiert worden sein.
Nun strebt der Bundesrat an, dass alle, die ein gewisses Potential auf Eingliederung aufweisen, besser begleitet und beraten werden. Die verschiedenen Akteure sollen vermehrt zusammenarbeiten, insbesondere die Ärzte und die Arbeitgebenden. Es ist auch vorgesehen, Lücken im Ersatzeinkommen in bestimmten Fällen zu schliessen und ein stufenloses Rentenmodell einzuführen. Das bietet mehr Flexibilität.
Primärer Einstieg in die Arbeitswelt erleichtern
Auch die Neurenten in der Altersgruppe der 18 bis 24-Jährigen ging weniger stark zurück als erwartet. Eine Analyse der IV- Rentenbezüger in der Schweiz, die unter 25 Jahren alt sind, hat ergeben, dass neunzig Prozent vorgängig bereits andere Leistungen bezogen haben. Sie erhielten bereits im frühen Kindesalter medizinische Leistungen, Massnahmen für besondere Schulung oder Hilflosentschädigung. Zwei Drittel von ihnen erhielten Unterstützung aufgrund psychischer Erkrankungen und Geburtsgebrechen.
Deshalb strebt der Bundesrat an, dieser Altersgruppe den primären Einstieg ins Arbeitsleben zu erleichtern. Anstatt dass jemand erst nach zwanzig Jahren eine von der IV unterstützte Ausbildung absolviert, soll ihm dies dank Begleitung und Beratung bereits als junger Mensch ermöglicht werden.
Damit spart die IV Geld und dem Betroffenen eröffnen sich langfristig neue Perspektiven. Um dies zu erreichen, sollen die jungen Menschen bedarfsorientiert und über längere Zeit begleitet werden. Auch hier soll die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure gestärkt werden.
Kostenneutral
Diese neue IV-Reform soll kostenneutral gestaltet werden. Das heisse vor allem, dass das primäre Ziel dieser Reform nicht sei, Geld zu sparen, sagte Bundesrat Berset. Die Finanzen der IV langfristig zu sanieren und die Kosten kontinuierlich zu reduzieren, bleibe trotzdem ein erklärtes Ziel.
Das Eidgenössische Departement des Innern hat den Auftrag erhalten, bis im Herbst 2015 einen Entwurf für die Weiterentwicklung der IV zu erarbeiten. Es gelten dabei die Leitlinien, die der Bundesrat festgelegt hat.