SRF News: Sie haben dem neuen Vorsitzenden des IPCC, Hoesung Lee, zu seiner Wahl gratuliert. Es warten grosse Aufgaben auf ihn. Trauen Sie ihm diese zu?
Thomas Stocker: Der wichtigste Punkt ist, die Wissenschaft weiterhin zu mobilisieren, um die besten Resultate zu erzielen. Ich vertraue in die Mobilisierungskraft der Vorsitzenden der Arbeitsgruppen. Diese sollten vor allem im Bereich der Klima- und der Impact-Forschung in einen engen Kontakt mit der Wissenschaft treten, damit die besten Kräfte hierzu etwas beitragen können.
Was hat aus Ihrer Sicht zur Wahl Hoesung Lees geführt?
Das war eine sehr politische Wahl. Südkorea hat sehr aggressiven Wahlkampf betrieben. Wir hatten 38 Zusagen von Ländern vor der Wahl. 30 Stimmen sind dann für mich abgegeben worden. Zwei hätten wir noch gebraucht, um in die zweite Runde zu kommen.
War Ihr Lobbying letztendlich zu schwach?
Nein, wir haben mit dem Besuch von 31 Ländern eine sehr gute Arbeit geleistet. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten hat gut gearbeitet und ist auch gut vernetzt. Wie gesagt: 38 Zusagen für meine Wahl sind vorgelegen. Das hat aber nicht gereicht, weil einige Zusagen nicht honoriert wurden.
Es war eine sehr politische Wahl.
Der Südkoreaner war der einzige Ökonom unter den Kandidaten. Hat das den Ausschlag gegeben?
Nein. Ich denke, letztendlich war es ein klares Bekenntnis zu Asien. Die asiatische Region hat hier einen Block gebildet und gute Unterstützung geboten für Lee. Es ist ein guter Punkt, dass er Ökonom ist. Es wird während den nächsten sieben Jahren sicher viele Fragen geben, die auch ökonomischer Natur sind und die angegangen werden müssen. Die Hoffnung liegt darin, dass Lee das besonders gut tun kann.
Sie hätten die Kommunikation des Weltklimarats verbessern wollen. Ist das etwas, das Lee auch tun kann?
Diesbezüglich gibt es noch einige Arbeit, die auf ihn wartet. Wir werden sehen, wir er das macht.
Was bedeutet Ihre Nicht-Wahl für Sie?
Ich habe mich 17 Jahre lang im IPCC engagiert Ich glaube stark an die alte Redewendung «servir et disparaître» (dienen und verschwinden, Anm. d. Red.). Ich habe meinen Beitrag geleistet. Jetzt kommt eine neue Generation, die sicherstellt, dass in den nächsten fünf bis sieben Jahren wiederum ein ausgezeichneter Klimabericht vorliegt.
Die asiatische Region hat einen Block gebildet und gute Unterstützung geboten für Lee.
Das heisst, Ihr Engagement im IPCC ist beendet?
Das ist so. Ich habe jetzt viele freie Valenzen. Ich werde wieder voll in die Forschung an der Universität Bern zurückkehren. Vielleicht übernehme ich auch die eine oder andere Aufgabe ausserhalb. Ich habe aber noch keine konkreten Pläne.
Das Gespräch führte This Wachter.