Nicht weniger als 270‘000 Portugiesen in der Schweiz erhalten heute Besuch von ihrem Präsidenten. Marcelo Rebelo de Sousa – von seinen Landsleuten liebevoll meist nur «Marcelo» genannt – ist am Morgen in Genf von Bundespräsident Johann Schneider-Ammann begrüsst worden. NZZ-Korrespondent Thomas Fischer hat kürzlich mit dem Mann gesprochen, der seit März die Geschicke des Landes im Westen der Iberischen Halbinsel leitet.
SRF News: Was für einen Eindruck haben Sie von Marcelo Rebelo de Sousa erhalten?
Thomas Fischer: Rebelo de Sousa hat sich so präsentiert, wie ihn seine Landsleute kennen. Er ist ein sehr kontaktfreudiger Mann, der auf die Menschen zugeht, und er hat ein fast enzyklopädisches Gedächtnis. In Portugal ist er seit langem eine Institution. Er war vor 40 Jahren Zeitungsredaktor, vor 20 Jahren wurde er Vorsitzender von Portugals grösster bürgerlicher Partei, die damals in der Opposition war. Im Radio und später im Fernsehen vermittelte er dem Publikum jahrzehntelang als Kommentator wöchentlich die Hintergründe des aktuellen Geschehens in leicht verständlicher Sprache. Im vergangenen Januar erreichte er bei der Direktwahl auf Anhieb die absolute Mehrheit. Er will Präsident aller Portugiesen sein. Diesen Anspruch hat er bisher eingelöst.
Was hat er als Präsident bisher geleistet?
Rebelo de Sousa versteht sich allem voran als Vermittler und Garant der Stabilität im Land. Politisch hat er sich einmal am linken Rand des rechten Lagers geortet. Er formuliert aber klare Ansprüche, etwa bei der Senkung des Haushaltsdefizits. Auch hat er gegen einige Gesetze sein Veto eingelegt. Im Ausland stand er bisher stets an der Seite der Regierung und machte sich international auch für die Wahl seines Landsmanns Antonio Guterres zum UNO-Generalsekretär stark. Als Präsident ist er fast allgegenwärtig. Sei es an der UNO-Generalversammlung in New York oder bei Präsident Hollande in Paris, ein Treffen mit Landsleuten ist immer auf der Agenda. Ebensowenig fehlten Auftritte an der Fussball-EM 2016 in Frankreich oder an den Olympischen Spielen in Rio. Grobe Fehler waren bisher schwer auszumachen. Manche Leute kreiden ihm allenfalls etwas zu viel Protagonismus an.
Was sind die Ziele des Staatsbesuchs?
Rebelo de Sousa betont, dass es für ihn nicht nur ein Staatsbesuch sei. Er interessiert sich gerade auch für die portugiesische Gemeinde in der Schweiz, die in den letzten Jahren auf 270'000 Personen angewachsen ist und die drittgrösste Ausländergruppe darstellt. Rebelo de Sousa will bei den offiziellen Gesprächen aber auch die Position der Schweiz gegenüber der Europäischen Union besser kennenlernen und wünscht sich einen Austausch über die allgemeine Grosswetterlage in Europa. Nicht zuletzt sieht der Präsident viel Potenzial für die Vertiefung der bilateralen Beziehungen. Zum Beispiel in der Wirtschaft und beim akademischen und kulturellen Austausch, aber auch im Tourismus, wo er Portugal als Reiseziel fördern will.
Was ist die Position von Rebelo de Sousa in Bezug auf die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative?
Im Gespräch sagte er, dass er in der Schweiz zuerst einmal zuhören möchte. Was er höre, könne Einfluss auf die portugiesische Gemeinde haben oder auch nicht. Er zeichnete also nicht von vornherein irgendwelche rote Linien. Darüber zu verhandeln, wäre als Präsident auch überhaupt nicht seine Aufgabe. Rebelo de Sousa will offenbar die portugiesische Gemeinde in der Schweiz als gut integriert, als arbeitsam hervorstreichen. Im Auge hat er dabei nicht nur eine ältere Generation mit überwiegend schlechteren Jobs, sondern auch eine jüngere Generation mit teilweise hoher Qualifikation. Er argumentierte implizit, dass die Portugiesen der Schweiz keine Probleme bereiteten.
Wie bedeutend ist dieser Staatsbesuch für Rebelo de Sousa?
Der Präsident ist seit März ständig auf Achse. Dies ist erst sein zweiter Staatsbesuch nach der ehemaligen portugiesischen Kolonie Moçambique. Sein erster Staatsbesuch im europäischen Ausland führt ihn also in die Schweiz. In Portugal wird die Schweiz nach dem Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative natürlich etwas misstrauisch betrachtet. Denn gerade die Schweiz war in den letzten Jahren ein sicherer Hafen für viele Portugiesen, die keine Arbeit mehr hatten und nicht mehr über die Runden kamen. Dieser Aspekt wird in den portugiesischen Medien wahrscheinlich mit im Vordergrund stehen.
Das Gespräch führte Monika Glauser.
Staatsbesuche der letzten Jahre
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Bild 1 von 23. Der österreichische Präsident Heinz Fischer und der damalige Bundespräsident Moritz Leuenberger besuchen im September 2006 die Sonnenstube der Schweiz. Sie erholen sich wohl am Lago Maggiore in Ascona von einem Besuch der Baustelle im Gotthard-Basistunnel. Beide betonen die «exzellenten» Beziehungen der Alpenländer. Bildquelle: Keystone/Archiv.
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Bild 2 von 23. 2006 besuchen der norwegische König Harald und seine Gemahlin Königin Sonja im Beisein des damaligen Bundespräsidenten Moritz Leuenberger die St. Galler Stiftsbibliothek. Im Zentrum des blaublütigen Besuchs stehen die Beziehungen der beiden Nicht-EU-Länder, ihr Verhältnis zu Europa sowie aktuelle internationale Fragen. Bildquelle: Reuters/Archi.
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Bild 3 von 23. Wetterpech haben die chilenische Präsidentin Michelle Bachelet und die damalige Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey: Beim offiziellen Abschreiten der Ehrengarde auf dem Bundesplatz im Juni 2007 regnet es wie aus Kübeln. Trotz der geografischen Distanz unterhalten die Schweiz und Chile seit mehr als hundert Jahren diplomatische Beziehungen. Bildquelle: Reuters/Archiv.
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Bild 4 von 23. Einen Einblick in die Gastronomie erhält Ungarns Präsident Laszlo Solyom (2.v.l) 2008. Der damalige Bundespräsident Pascal Couchepin und Ex-Nationalrat Jean René Germanier (FDP) servieren dem hohen Staatsgast in einen Weinkeller ein Raclette. Das Verhältnis beider Länder ist stark geprägt von den Ereignissen von 1956, dem Ungarn-Aufstand. Bildquelle: Keystone/Archiv.
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Bild 5 von 23. Der russische Staatspräsident Dmitri Medwedew besucht 2009 das Suworow-Denkmal in der Schöllenenschlucht. Das Grundstück, auf dem das Denkmal steht, gehört dem russischen Staat. Begleitet wird Medwedew vom damaligen Bundespräsidenten Hans-Rudolf Merz. Der Stadt Bern schenkt Medwedew die Bären Mischa und Mascha. Bildquelle: Keystone/Archiv.
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Bild 6 von 23. Der deutsche Bundespräsident Christian (2.v.l) und seine Ehefrau Bettina (l) Wulff werden im September 2010 von der damaligen Bundespräsidentin Doris Leuthard und ihrem Ehemann Roland Hausin empfangen. Im Zentrum der Gespräche: Fluglärmstreit und Doppelbesteuerungsabkommen. Bildquelle: Keystone/Archiv.
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Bild 7 von 23. Die damalige Bundespräsidentin Doris Leuthard zeigt im November 2010 dem türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül das Bundeshaus. Zum Inhalt der Gespräche wird im Vorfeld nichts bekannt. Die schweizerisch-türkischen Beziehungen sind aber zuletzt nicht frei von Konflikten. Ein Dauerbrenner ist der Genozid an den Armeniern von 1915 bis 1917. Bildquelle: Keystone/Archiv.
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Bild 8 von 23. König Juan Carlos und Königin Sofia von Spanien (hier mit der damaligen Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey) besuchen bei ihrem Besuch im Mai 2011 das Museum Hermitage in Lausanne. Dort ist eine Ausstellung spanischer Künstlern gewidmet. Auf politischer Ebene stehen Wirtschaftsfragen im Zentrum. Bildquelle: Keystone/archiv.
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Bild 9 von 23. Die indische Präsidentin Pratibha Devisingh Patil ist im Oktober 2011 in der Schweiz zu Besuch. Empfangen wird sie von der damaligen Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey. Im Zentrum steht vor allem das Freihandelsabkommen, über welches die beiden Staaten seit 2008 verhandeln. Hindernis dabei ist der Schutz des geistigen Eigentums. Bildquelle: Reuters/Archiv.
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Bild 10 von 23. Zum Staatsbesuch des polnischen Präsidenten Bronislaw Komorowski (hier mit der damaligen Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf) im Oktober 2012 gehört auch eine Schifffahrt auf dem Genfersee. Thema der Treffen ist auch die Ventilklausel, welche die Zuwanderung aus acht europäischen Ländern – unter anderen auch Polen – wieder eingrenzte. Bildquelle: Keystone/Archiv.
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Bild 11 von 23. Ein militärisches Programm für den finnischen Präsidenten Sauli Niinistö (rechts) 2013. Nicht nur das Abschreiten der Ehrengarde mit dem damaligen Bundespräsidenten Ueli Maurer, sondern auch ein Besuch der Katastrophenhilfe-Einheit der Armee steht auf dem Programm. Die Sicherheits- und Europapolitik stehen auch im Zentrum des zweitägigen Besuches. Bildquelle: Keystone/Archiv.
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Bild 12 von 23. Das Gala-Diner beim Staatsbesuch der damaligen südkoreanischen Präsidentin Park Geun-hye (Mitte, mit Ehepaar Burkhalter) findet im Berner Hotel Bellevue statt. Park Geun-hye, die von 2013 bis 2017 im Amt war, weilt zwei Tage in der Schweiz. Es ist der erste Besuch eines koreanischen Präsidenten seit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen 1963. Bildquelle: Keystone/Archiv.
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Bild 13 von 23. Im Mai 2014 sind der damalige italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano und seine Frau Clio zu Besuch. Empfangen wird er vom damaligen Bundespräsidenten Didier Burkhalter und seiner Frau Friedrun Sabine. Die Gespräche sind in erster Linie den bilateralen Beziehungen gewidmet, namentlich der Zusammenarbeit im Wirtschafts- und Steuerbereich. Bildquelle: Keystone/Archiv.
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Bild 14 von 23. Der französische Präsident François Hollande (hier mit Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga) ist im April 2015 zu Besuch, unter anderem in Ouchy und beim IOC. Diskussionsthemen des zweitägigen Treffens sind vor allem die Auswirkungen der Zuwanderungsinitiative auf die französischen Grenzgänger und die Europapolitik. Bildquelle: Keystone/Archiv.
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Bild 15 von 23. Mit militärischen Ehren empfängt Bundespräsident Johann Schneider-Ammann im Februar 2016 Beji Caïd Essebsi. Der tunesische Präsident hätte bereits im November 2015 anreisen sollen. Der Besuch wird aber nach einem Attentat in Tunis abgesagt. Bei den Gesprächen geht es auch um die in der Schweiz eingefrorenen Millionen von Ex-Diktator Ben Ali. Bildquelle: Keystone.
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Bild 16 von 23. Portugals Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa (links) erkundet im Oktober 2016 mit Johann Schneider-Ammann (Mitte) eine Bäckerei in Burgdorf. Bei seinem Besuch informiert er sich auch über die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative, stellen doch seine Landsleute hierzulande die drittgrösste Ausländergruppe. Bildquelle: Keystone.
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Bild 17 von 23. Chinas Staatspräsident Xi Jinping (Mitte) und seine Frau Peng Liyuan geniessen im Januar 2017 mit dem damaligen Aussenminister Didier Burkhalter ein Fondue. Die Schweiz und China unterzeichnen anlässlich des Besuchs eine Reihe von Abkommen und Vereinbarungen, unter anderem zur Weiterentwicklung des Freihandelsabkommens von 2014. Bildquelle: Keystone.
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Bild 18 von 23. «Wir sind mehr als nur gute Nachbarn», erklärt der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei seinem zweitägigen Staatsbesuch im April 2018. Gemeinsam mit Alain Berset geniesst der SPD-Politiker unter anderem das Bad in der Menge auf dem Berner Münsterplatz. Bildquelle: Keystone.
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Bild 19 von 23. Kurze Anreise: Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein und Erbprinzessin Sophie werden bei ihrem Staatsbesuch im April 2019 von Bundespräsident Ueli Maurer in Sargans mit dem Zug abgeholt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 20 von 23. Im September 2019 empfängt Bundespräsident Ueli Maurer den indischen Präsidenten Ram Nath Kovind. Zentrales Thema des Besuchs waren die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen Indien und den Efta-Staaten. Bildquelle: Keystone.
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Bild 21 von 23. Ghanas Präsident Nana Addo Dankwa Akufo-Addo besucht Ende Februar 2020 kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie die Schweiz. Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga führt den Gast unter anderem durch die Halba Schokoladenfabrik in Pratteln. Es sollte für zwei Jahre der letzte Staatsbesuch in der Schweiz sein. Bildquelle: Keystone.
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Bild 22 von 23. Im Mai 2022 kommt die slowakische Präsidentin Zuzana Čaputová zu einem zweitägigen Staatsbesuch in der Schweiz am Flughafen Belp in Bern an. Bundespräsident Ignazio Cassis empfängt sie mit militärischen Ehren. Bildquelle: Keystone.
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Bild 23 von 23. Im Mai 2023 ist Botswanas Präsident Mokgweetsi Eric Keabetswe Masisi auf Staatsbesuch. Er und Bundespräsident Alain Berset besuchen die Landsgemeinde in Appenzell. In Botswana existieren mit Landsgemeinden vergleichbare Versammlungen. Berset hatte im Februar 2023 mit einer Delegation eine dieser Kgotia besucht. Bildquelle: Keystone.