Wegen der Abhöraktion ihrer Parteipräsidentin Fabienne Despot trafen sich die Waadtländer SVP-Delegierten am Donnerstag zur Aussprache. Despot wurde ganz knapp mit nur einer Stimme über dem absoluten Mehr im Amt bestätigt. Von Einigkeit war nichts zu spüren.
Es ist bedauerlich neun Wochen vor den Wahlen einen Parteikongress abzuhalten, bei dem kein Wort über Politik gesprochen wird
Auch SVP-Generalsekretär Martin Baltisser reiste extra in die Waadt, um sich ein Bild von der Situation zu machen. Und was Baltisser zu sehen bekam, bereitete ihm keine Freude:
«Es ist bedauerlich neun Wochen vor den Wahlen einen Parteikongress abzuhalten, bei dem kein Wort über Politik gesprochen wird», machte der Mann aus der Zentrale keinen Hehl aus seinem Missfallen.
Besonders schmerzhaft ist die Situation für die SVP, weil sie in der Romandie das grösste Wachstumspotential hat. Denn obwohl die SVP-Delegierten ihre Präsidentin knapp bestätigten, hält die Misere an.
«Eine Zeitbombe»
Symptomatisch: Kaum wurde Despot bestätigt, da meldete sich der Stadtpräsident von Villeneuve, Pierre-Alain Karlen, als Gastgeber der Versammlung zu Wort.
Was er den Delegierten servierte, war ein Magenbitter: «Die Partei hat für die Medien den Anschein von Einheit erweckt, aber letztlich hat man damit eine Zeitbombe gelegt», so Karlen.
Zwar hat Despot einen Sieg errungen. Die Affäre, bei der es darum ging, dass die Präsidentin ein Treffen der Parteispitze heimlich aufgezeichnet hatte und dass sie anschliessend mit ihren eigenen Aufnahmen hätte erpresst werden sollen, ist im Prinzip beigelegt. Aber ihr knapper Sieg zeigt, wie gespalten die Partei ist.
Weitere Strafanzeigen im Umfeld der Partei
Und die Strafanzeigen beschäftigen die Justiz weiter: Bereits wurde eine neue Klage von einer SVP-Politikerin gegen einen SVP-Kandidaten eingereicht. Vorgeworfen werden ihm Belästigungen und Schläge ins Gesicht.
Sex-Affären, Racheaktionen von Ex-Geliebten und wechselseitige Strafanzeigen schütteln die Partei durch. Die Parteispitze stellt sich als Opfer dar und schimpft über die Intrigen eines «Clubs der Ex-Geliebten».
Politik als Nebensache
Was auffällt: Im Unterschied zur Deutschschweiz, wo lange der Streit zwischen SVPlern alter Schule und den «Blocheristen» die Partei beschäftigte, kreisen die Probleme in der Romandie nicht um politische Fragen.
Letztlich krankt die SVP in der ganzen Westschweiz am eigenen Erfolg: als eine Art Sammelbecken für Wutbürger ist die Partei stark gewachsen.
Das so gewonnene, neue Personal aber denkt derart aggressiv-polarisierend, dass sogar parteiintern eine sachliche Zusammenarbeit schwierig ist.
Unter diesen Vorzeichen kann sich die SVP ihre Ziele für einen Wahlerfolg in der Waadt abschminken. Mehr noch: der zu erwartende Misserfolg dürfte Anlass für den nächsten internen Streit geben.