In den Kantonen bestehen grosse Differenzen in der Zahl der Operationen pro Kopf. Die grössten Unterschiede zeigten sich bei Knie-Arthroskopien, also Gelenkspiegelungen. Diese werden etwa im Kanton Schwyz – auf 100'000 Einwohner gerechnet – mehr als dreimal so häufig gemacht wie im Kanton Wallis.Aber auch Herzkatheter- und Bypass-Operationen sind in gewissen Kantonen doppelt so häufig wie in anderen. Das zeigt die Studie des Gesundheitsobservatoriums Obsan. Es hat die Häufigkeit von acht medizinischen Eingriffen untersucht.
Eine Erklärung für diese Unterschiede hat Oliver Peters nicht. Der Vizedirektor des Bundesamtes für Gesundheit verweist auf das Ausland: «Wir wissen, dass wir weniger Unterschiede haben, als andere Länder. Aber wir müssen jetzt einzelne Leistungen überprüfen, um Auffälligkeiten erklären zu können.»
Jeder Eingriff bringt Geld
Deutlicher sagt es Gesundheitsökonom Heinz Locher: «Diese Variationen sind unhaltbar und müssen untersucht werden.» Die Unterschiede seien medizinisch nicht zu erklären. Der Verdacht, dass gewisse Eingriffe unnötig seien, stehe im Raum. Fakt ist, dass in Kantonen mit mehr Ärzten und Spitälern auch mehr Eingriffe durchgeführt werden. Das Angebot schafft die Nachfrage. «Das liegt an teilweise unklaren Indikationen, also unklaren Kriterien, wann welche Leistung erbracht wird.»
Bei gewissen Eingriffen gebe es keine verbindliche nationale Regelung, wann sie angebracht seien. Es liegt dann im Ermessen der Ärzte, ob operiert wird oder nicht. Hinzu kommt – vor allem im ambulanten Bereich, in dem der Patient nicht im Spital übernachtet, bestehen falsche Anreize: Die Ärzte und Spitäler verdienen an jedem Eingriff, was laut Gesundheitsökonom Locher ebenfalls zu einer Häufung führen kann.
Dies dürfe nicht sein, sagt Michael Jordi, Zentralsekretär der Gesundheitsdirektorenkonferenz. Dass Ärzte etwa bei Hüftoperationen oder Kreuzbandrissen finanzielle Anreize hätten, eher zu operieren statt nicht zu operieren, dürfe nicht sein. Es gebe zwar schon heute Behandlungsrichtlinien für die Ärzte, aber diese müssten in den Spitälern besser umgesetzt werden. Dies verfolge ein Vorstoss, der sich momentan in der Vernehmlassung befinde.
Welche Operationen sind wirklich nötig?
Oliver Peters vom Bundesamt für Gesundheit beurteilt die Situation nicht als dramatisch, denn die kantonalen Unterschiede hätten abgenommen: «Es gibt eine Angleichung, es gibt Guidelines, es etabliert sich eine Praxis. Wir stellen fest, dass die Zufälligkeiten eher abnehmen.»
Kritischer ist Heinz Locher, weil er noch einen Mangel ortet: Im Schweizer Gesundheitswesen werde zu wenig genau Buch darüber geführt, welche Operationen sich gelohnt hätten und welche nicht. Solche langfristige Untersuchungen fehlten: «Die Monitoring-Instrumente gibt es schon lange. Die Schweiz hat hier 15 Jahre Rückstand auf die internationale Entwicklung.»
Einig sind sich Bund, Gesundheitsökonom und Gesundheitsdirektorenkonferenz darin, dass man die Operationsstatistiken genauer anschauen muss – um schliesslich genauer festzulegen, wann Operationen wirklich nötig sind.