Die Schweiz verfehlt ihr Klimaziel für 2020 – und zwar obschon wegen Corona auf den Strassen im letzten Jahr zeitweise deutlich weniger lief. Die Zahlen aus dem Treibhausgas-Inventar des Bundes für 2019 zeigen, dass die Bemühungen zur Reduktion des CO2-Ausstosses praktisch in allen Bereichen stagnieren – dabei wäre deutlich mehr Tempo angesagt zur Erreichung der Pariser Klimaziele.
46.2 Millionen Tonnen CO2 und andere Treibhausgase hat die Schweiz im Jahr 2019 in die Atmosphäre entweichen lassen. Das sind gerade einmal 0.3 Millionen Tonnen weniger als 2018, sprich: Die Schweiz stagniert im Kampf gegen den Klimawandel. Ende 2019 lagen die Emissionen um 14 Prozent tiefer als im Jahr 1990. Nur ein Jahr später, Ende 2020, müssten sie um 20 Prozent tiefer gelegen haben.
Die genauen Zahlen für 2020 wird das Bundesamt für Umwelt zwar erst in einem Jahr publizieren. Doch bereits jetzt ist klar: Dieses Ziel erreicht die Schweiz nicht. Zwar sind die Emissionen aus dem Verkehr im Corona-Jahr 2020 temporär wohl zurückgegangen. Um die Lücke von sechs Prozentpunkten zu füllen, reicht das nicht.
Die Schweiz hinkt hinterher
Es geht schlicht zu langsam vorwärts im Schweizer Klimaschutz. Und die Schweiz hinkt ihren Nachbarn hinterher. Deutschland hat die eigenen Klimaziele für 2020 wider Erwarten erreicht – dank der coronabedingten Einschränkungen des Verkehrs. Die EU als Ganze übertrifft die ihrigen gar. Die Schuld daran, dass der Schweiz Ähnliches nicht gelingt, liegt in grossen Teilen beim Verkehr – die Treibhausgas-Werte des Verkehrs liegen 2019 gar noch um ein Prozent höher als 1990.
Aber nicht nur: Die Industrie stösst zwar 14 Prozent weniger Treibhausgase aus als vor 30 Jahren, die Heizungen in den Gebäuden gar 34 Prozent weniger. Trotzdem verfehlen auch diese beiden Bereiche die Ziele bei weitem, die der Bund für sie für 2020 gesetzt hat.
Es muss ein Ruck durch Politik und Wirtschaft
Insgesamt präsentiert sich ein ernüchterndes Bild, vor allem auch, weil in den kommenden Jahren eigentlich deutlich mehr Tempo gefragt ist – hat sich die Schweiz doch das Ziel gesetzt, bis 2030 die Treibhausgas-Emissionen um 50 Prozent zu reduzieren im Vergleich zu 1990 und bis 2050 gar bei Netto-Null anzukommen. Damit diese künftigen Ziele nicht ebenso verfehlt werden wie das aktuelle, muss wohl ein Ruck durch Politik und Wirtschaft.
Der Bundesrat, die Mehrheit der Parteien und die Mehrheit der Wirtschaftsverbände sehen im revidierten CO2-Gesetz, das im Juni zur Abstimmung kommt, einen ersten Schritt dazu. Die Referendumsführer aus Erdöl- und Automobil-Verbänden sowie der SVP glauben, dass es auch ohne geht.