Die Sekundarschule Frenkendorf ist ein nüchterner Betonbau. Während unten die Schüler in die Pause strömen, sitzt ganz oben in Zimmer 43 Roger von Wartburg an seinem Pult im leeren Klassenzimmer. Er ist nicht nur Lehrer, sondern auch Präsident des kantonalen Lehrervereins und als solcher kann er die Stimmung gut einschätzen.
Es sei besorgniserregend, dass ihn gestandene Lehrer teils unter Tränen anriefen, sagt er. Der Tenor sei: «Wir können so nicht weitermachen, uns fehlt die Zeit für den Unterricht und die Kinder, die uns anvertraut sind.». Zu schnell seien zu viele Reformen umgesetzt worden, sagt von Wartburg.
lm Berufsstolz verletzte Lehrer
Mit der Harmonisierung gibt es neu nur noch drei statt der bisher vier Sekundarschuljahre. Damit braucht es ein Viertel weniger Seklehrerinnen und -lehrer. Dann kamen das Frühfranzösisch hinzu, die Integration behinderter Kinder sowie der Lehrplan 21, mit dem die Kinder vermehrt selber lernen sollen.
Bei all dem würden die Lehrer meist vor vollendete Tatsachen gestellt, so von Wartburg. Zwar gebe es Informationsveranstaltungen oder Fortbildungen. «Dort stellen die Lehrer fest, dass man an ihren jahrelangen Erfahrungen aus den Schulzimmern fast gar nicht oder überhaupt nicht interessiert ist.» Entsprechend fühlten sich die Lehrpersonen nicht ernst genommen, sie seien verletzt in ihrem Berufsstolz.
Reformen vorerst gestoppt
Kein Wunder, dass die Schulreformen auch in der Baselbieter Politik hohe Wellen werfen. Lange galt dabei das Schema: Links ist für die Reformen, rechts ist dagegen. Auch hier fühlten sich die Lehrer falsch verstanden, wenn sie Kritik wagten, so von Wartburg. Früher sei Kritik automatisch dem rechtsbürgerlichen Lager zugeordnet gewesen, obwohl dies so nie gestimmt habe.
Gerade in Baselland ist es ein ehemaliger Grüner, der seit Jahren den heftigsten Kampf gegen die Schulreformen führt. Den Reform-Marschhalt verordnet hat aber vor einem knappen Jahr die neue bürgerliche Regierungsrätin. Von Wartburg sagt, die Lehrerinnen und Lehrer seien froh darum, dass nun erst einmal genau analysiert werde, was funktioniert und was nicht.
Es gibt auch andere Stimmen
Zehn Kilometer entfernt, in Aesch, ebenfalls Baselland, tönt es ziemlich anders. Die 30-jährige Primarlehrerin Eva Hungerbühler steht im Schulhausgang und zeigt auf den zu kleinen Gruppenraum: Das sei ihr grösstes Problem mit der Schulreform: Zu wenig Platz, um die Klasse wie vorgesehen in kleineren Gruppen arbeiten zu lassen.
Die Begeisterung für die neuen Unterrichtsformen und für mehr Zusammenarbeit zwischen den Lehrerinnen sei bei Ihr durchaus vorhanden. «Ich habe mich intensiv mit der Thematik beschäftigt und bin eine Befürworterin geworden», sagt sie. Hungerbühler bildet selber auch Lehrer aus und lehrt sie, mit spielerischen Formen Frühfranzösisch zu unterrichten, ohne das Vocabulaire zu pauken.
Verunsicherte Lehrerinnen und Lehrer
«Die Stimmung ist grundsätzlich besser geworden», sagt sie. Lehrer, Eltern und Kinder hätten jetzt einige Jahre Erfahrungen mit dem neuen System. Deshalb sei bei den Primarlehrern im Unterschied zu den Seklehrern wenig Kritik zu hören. Denn bei letzteren ändert sich erst jetzt vieles.
Zudem sei der Lehrerverband von Seklehrern dominiert, betont Hungerbühler. Auch sei es nicht so, dass immer diejenigen Recht hätten, die am lautesten schrien. Sie finde es gefährlich zu sagen, man höre mit der Harmonisierung auf, nur weil die letzte Zeit für die Sekundarlehrer schwierig gewesen sei. Denn der verordnete Marschhalt verunsichere nicht nur die Lehrer, sondern auch die Eltern.
Wie und ob es mit den Schulreformen in Baselland weitergeht, ist derzeit unklar. Die Lehrer auf jeden Fall sind ziemlich verunsichert – egal ob sie für oder gegen die Reformen einstehen.