- Razzia in der wegen angeblicher Radikalisierung Jugendlicher umstrittenen An' Nur-Moschee in Winterthur
- Vier Personen verhaftet – darunter ein äthiopischer Imam
- Imam soll an einer Predigt zum Mord aufgerufen haben
- Expertin kritisiert Behörden und Verbände
Die Staatsanwaltschaft Winterthur hat ein Strafverfahren gegen einen Imam und drei Personen aus dem Umfeld der Winterthurer An' Nur Moschee eröffnet. Ihnen wird öffentliche Aufforderung zu Verbrechen und Gewalt vorgeworfen.
«Verschiedene Dinge» sichergestellt
Die öffentliche Predigt, welche den Anstoss zur heutigen Razzia gab, fand im vergangenen Oktober statt. Der äthiopische Imam soll zum Mord an Muslimen aufgerufen haben, die sich nicht an die Gebetszeiten halten. «Zudem wurden die Anwesenden aufgefordert, Muslime zu denunzieren, die sich nicht an die Regeln halten», sagte Corinne Bouvard, Sprecherin der Oberstaatsanwaltschaft.
Die Rolle der drei weiteren Beschuldigten aus dem näheren Umfeld der Moschee ist unklar und Gegenstand der laufenden Untersuchung. Ihre Wohnungen wurden am Morgen ebenfalls durchsucht. Dabei habe man «verschiedene Dinge» sichergestellt. Die zuständige Staatsanwältin werde am Donnerstag entscheiden, ob Untersuchungshaft beantragt werde.
Moschee radikalisierte Jugendliche
Erst vergangene Woche wurde bekannt, dass die An' Nur-Moschee wohl Ende Jahr schliessen muss. Die Vermieter lassen den Vertrag mit dem umstrittenen Gotteshaus auslaufen, und der Islamverein findet keine neuen Räume.
Die Moschee im Stadtteil Hegi geriet mehrmals wegen mutmasslicher Radikalisierung von Jugendlichen in die Schlagzeilen. Mehrere Jugendliche waren nach Syrien gereist und hatten sich der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angeschlossen. Alle sollen in der An' Nur-Moschee (Arabisch für «das Licht») radikalisiert worden sein.
Im Zuge der Hausdurchsuchung in der Moschee hat die Polizei zudem vier Männer festgenommen, die dort übernachtet haben. Einer der Festgenommenen hält sich illegal in der Schweiz auf, den anderen wird Widerhandlung gegen das Ausländergesetz vorgeworfen. Die vier Männer sind zwischen 23 und 35 Jahre alt, wie die Kantonspolizei Zürich mitteilte. Drei Männer stammen aus Algerien und Tunesien, der vierte Mann weigerte sich, seine Nationalität anzugeben.
Expertin: «Nur die Spitze des Eisbergs»
Der Winterthurer Stadtrat begrüsst die Razzia in der umstrittenen Moschee. Die Stadt wolle alles daran setzen, Radikalisierung und Extremismus in welcher Form auch immer vorzubeugen und zu bekämpfen.
Saïda Keller-Messahli, Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam, kritisiert hingegen, dass die Behörden nicht früher reagiert haben: Es handle sich «nur um die Spitze des Eisbergs», sagte sie gegenüber Radio 24. In den vergangenen Jahren habe es in dieser Moschee eine ganze Reihe von radikalen Imamen gegeben.
Zudem existierten in der Schweiz auch zahlreiche andere Moscheen, die radikales Gedankengut verbreiteten, so Keller-Messahli in «10vor10» «Hier haben wir tatsächlich ein Problem.» Nun seien die Verbände in der Pflicht. «Sie müssen proaktiv sein und sich fragen: Woher kommt ein Prediger und was ist seine Hauptbotschaft?» Denn es sei leider Tatsache, dass in vielen hiesigen Moscheen potenziell gefährliche Imame ein- und ausgingen.
Der Dachverband der Islamischen Organisationen in Zürich (VIOZ), der fast alle Moscheen im Kanton vertritt, will in den kommenden Tagen prüfen, ob die An' Nur-Moschee ausgeschlossen werden soll, wie VIOZ-Sekretär Muris Begovic gegenüber verschiedenen Medien ankündigte.