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Ein Mann in grüner Polizeiuniform spricht mit einem Afrikaner, beobachtet werden beide von einem Schweizer Polizisten in blauer Uniform.
Legende: Ein Polizist aus Nigeria unterstützt Schweizer Polizisten: Ein Austausch-Projekt 2011. Keystone Archiv

Schweiz Was bringen Migrations-Partnerschaften?

Die Schweiz hat mit Nigeria, Tunesien, Kosovo, Serbien und Bosnien sogenannte Migrationspartnerschaften abgeschlossen. Sie sehen diverse Austauschprojekte vor mit dem Ziel, dass die Partnerstaaten abgewiesene Asylsuchende wieder aufnehmen. Doch der Nutzen des Programms ist umstritten.

Mit den Zahlen ist das so eine Sache. Besonders im Asylbereich. Beispiel Nigeria: Zwar kann die Schweiz deutlich mehr Nigerianer zurückschaffen seit das Migrationsabkommen gilt. Doch in den Nullerjahren waren die Zahlen schon einmal gleich hoch. Beispiel Tunesien: Mit der Migrations-Partnerschaft sanken die Asylzahlen, doch dies entspricht einem Trend in allen europäischen Staaten.

Erfahrungen mit Nigeria

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Der Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé bildet im Rahmen der Migrationspartnerschaft in Nigeria Polymechaniker und Techniker aus. Die fünf besten von ihnen hat der Bund nun in die Schweiz eingeladen – für ein dreimonatiges Praktikum bei Nestlé. Hören Sie hier die Reportage.

Behörden betonen den Nutzen

Auch eine aktuelle Studie im Auftrag des Bundes sagt sinngemäss, dass sich die Schweizer Partnerschaften nicht direkt messbar auf Asylzahlen und Rückschaffungen auswirken.

Trotzdem sieht der Vizedirektor im Staatssekretariat für Migration, Urs von Arb, in den Abkommen einen klaren Nutzen. So hätten sich die Abläufe im Rückkehrbereich «markant» verbessert. Regelmässig kämen etwa Identifikationsmissionen aus Nigeria in die Schweiz, um ihre Leute zu befragen und die Schweiz könne abgewiesene Asylbewerber mit Sonderflügen nach Nigeria zurückschaffen.

Auch die schnellen Asylentscheide innert 48 Stunden für Menschen aus Serbien, Kosovo und Bosnien habe die Schweiz dank der Migrations-Partnerschaften einführen können, sagen die Schweizer Behörden. Allerdings hat die Schweiz auch für Asylsuchende aus Staaten ohne Partnerschaft diese Schnellverfahren eingeführt.

Rücknahme sollte auch ohne Zückerchen erfolgen

Ein Skeptiker bezüglich der Migrations-Partnerschaften ist Stefan Schlegel: Der Jurist hat die Partnerschaften für die aussenpolitische Denkfabrik «foraus» analysiert. Er sagt, es sei eine Illusion, dass die Schweiz mit Austauschprogrammen, Praktika und Hilfen vor Ort tatsächlich auf die Migration in Richtung Schweiz Einfluss nehmen könne: «Migrationspartnerschaften sind keine Wunderwaffen.» Ihre Wirkung auf irreguläre Migration sei viel geringer als ursprünglich erhofft.

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Schlegel findet es sogar problematisch, dass die Schweiz den fünf Partnerländern faktisch Gegenleistungen dafür biete, dass die Staaten Landsleute zurücknehmen. Denn diese Rücknahmen seien eigentlich eine völkerrechtliche Pflicht. Durch die Gegenleistung für die Rücknahme von abgewiesenen Asylbewerbern bestehe die Gefahr, dass auch andere Länder eine Leistung für die Rücknahmen wollten und jene Länder, die bereits etwas erhielten, ihren Preis in die Höhe treiben würden.

Durch Zusammenarbeit entsteht Vertrauen

Dem widerspricht von Arb vom Staatssekretariat für Migration: Diese Gefahr bestehe nicht. Ausserdem sei es nun mal so, dass viele Staaten bei Rückschaffungen schlicht nicht kooperieren wollten. «Wir sind nicht erpressbar», betont er. Ausserdem werde das Instrument Migrationsabkommen nur mit jenen Staaten geschlossen, mit denen man bereits zusammenarbeite. Wertvoll sei das Vertrauen, das durch die enge Zusammenarbeit entstehe.

Allerdings läuft in der Praxis nicht alles rund: ein neuerlicher Polizisten-Austausch mit Nigeria kam letztes Jahr nicht zu Stande. Und Tunesien dürfte eigentlich Jahr für Jahr bis zu 150 Berufsleute für anderthalbjährige Praktika in die Schweiz senden – nur fehlt bislang das Interesse der Schweizer Wirtschaft an dem Programm: Erst vier Austausche kamen zustande.

Migrations-Partnerschaften kosten die Schweiz bis zu 10 Millionen Franken pro Jahr und verursachen viel Aufwand. Auch deshalb steht der Bundesrat bei neuen Migrationspartnerschaften inzwischen auf die Bremse. Er wolle die Partnerschaften «zurückhaltend einsetzen», entschied die Landesregierung vor drei Wochen. Enthusiasmus tönt anders.

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