Schon länger ist Frankreich nicht eben gut auf die Schweiz zu sprechen: Viele Franzosen verstecken nach wie vor ihr Geld in der Schweiz, vermögende Landsleute wanderten nach Genf oder in die Waadt ab, weder von ihnen noch von den Erben erhält der französische Staat Steuer-Geld. Missstimmung auch nach der Abstimmung zur Masseneinwanderung: Frankreich sorgt sich um seine Grenzgänger, 145'000 Franzosen verdienen ihr Brot in der Schweiz.
Die Fronten sind verhärtet, Fragen gibt es viele zu klären: Wie weiter mit der Erbschaftssteuer, nachdem die Schweizer Parlamentarier das neu ausgehandelte Abkommen abgelehnt haben? Welche Lösung gibts mit den Schwarzgeldern aus Frankreich? Wie sollen die Grenzgänger künftig besteuert werden? Was soll mit der Pauschalbesteuerung geschehen? Und wie schnell kommt nun der automatische Informationsaustausch?
Harte Verhandlungen stehen an
Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf wird es mit dem Besuch aus Frankreich nicht einfach haben. Schon in der Vergangenheit traf sie auf Unverständnis, wenn es etwa um die Schnelligkeit der Schweizer bei Anpassungen der Gesetze geht. Finanzminister Pierre Moscovici formulierte es bei seinem letzten Besuch in der Schweiz diplomatisch: Frankreich wäre zu einem rascheren Vorgehen bereit, akzeptiere aber den Rhythmus der Schweiz.
Die Ungeduld der Franzosen ist vor dem Hintergrund seiner ökonomischen und politischen Krise verständlich. Frankreich gilt im Moment als der grosse kranke Mann Europas. Rechnet man die Arbeitssuchenden mit geringfügiger Arbeit hinzu, gibt es in Frankreich rund fünf Millionen Menschen ohne Arbeit, das ist mehr als jeder zehnte. Die Jugendarbeitslosigkeit ist noch höher, liegt bei 24 Prozent.
Zu hohe Steuern, zu wenig flexibel
Die Ursachen? «Da gibt es vor allem zwei grosse Probleme. Zum einen müsste Frankreich seinen Arbeitsmarkt weiter flexibilisieren, um im internationalen Wettbewerb mithalten zu können. Die französischen Arbeiter sind stark geschützt – einmal angestellt, können sie fast nicht mehr entlassen werden», sagt SRF-Korrespondent Michael Gerber. «Das schreckt Investoren ab.» Änderungen hat Staatspräsident François Hollande zwar eingeleitet, «doch die Unternehmer verlangen weitreichendere Reformen.»
«Das andere Problem ist die Besteuerung der Unternehmen. Sie zahlen im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hohe Steuern», so Gerber. Hinzu kommt die Planungsunsicherheit. «Im Bereich Steuern ändert Frankeich seine Gesetze alle paar Monate», sagt Gerber. Auch hier: Hollande versucht zwar die Firmen finanziell zu entlasten, «doch müsste da noch mehr geschehen, um zum Beispiel mit Deutschland mithalten zu können.»
Beide Seiten suchen Dialog
Und die Schweiz? Frankreich hat den Erbschaftsvertrag per Ende Jahr gekündigt. Die Schweiz will keinen vertragslosen Zustand. Ob es heute Mittwoch eine Annäherung gibt? «Wohl kaum», sagt SRF-Korrespondent Gerber. «Das Erbschaftssteuerdossier ist in einer Sackgasse.»
«Bei den Schwarzgeldern setzt Frankreich vorerst auf sein Regularisierungs-Programm mit den Steuersündern», sagt Michael Gerber. Mitte Februar teilten die französischen Behörden mit, über 16'000 Steuersünder hätten sich selbst bei ihnen gemeldet. In 80 Prozent der Fälle ging es um nicht deklarierte Konten in der Schweiz.
Auch bei den anderen Streitigkeiten zeichnet sich laut Gerber kaum ab, dass sich schnell etwas bewegen dürfte. «Während die Franzosen das Gefühl haben, die Schweizer seien langsam und wenig kooperationsbereit, monieren die Schweizer, dass man die Gesetze in einem Rechtsstaat nicht von heute auf morgen über den Haufen werfen kann.» Immerhin: «Beide Seiten suchen die Annäherung und nicht die Konfrontation.»