Warum will jemand mehr als 4000 Kilometer über einen Ozean rudern – und das bereits zum zweiten Mal? Mit nur zwei Stunden Pause nach zwei Stunden Rudern, ein bis zwei Monate am Stück, je nach Bedingungen auf See?
«Direkt nach dem ersten Rennen haben wir gesagt: Das machen wir nie mehr», erzählt Samuel Widmer. Der 30-jährige Polizist aus dem aargauischen Kleindöttingen weiss, was es heisst, einen Monat jeden Tag zwölf Stunden zu rudern. 2022 gewann sein Viererteam überlegen die «Atlantic Challenge»: 4800 Kilometer vom spanischen La Gomera nach Antigua in der Karibik.
Nun macht er es aber doch wieder. Ab Mitte Juni 2025 rudert Widmer von Monterey in Kalifornien nach Hawaii. Ein Mann im Team «Swiss Raw» ist neu. Auch dieses Mal ist der Sieg wieder das Ziel. In den vergangenen Jahren benötigte eine Mannschaft durchschnittlich 62 Tage für die rund 4500 Kilometer über den Pazifik.
In der Freizeit wird gegessen und geschlafen, man geht auf Toilette und repariert das Boot – bis man wieder an Land ist.
«Mit der Zeit vergisst man die schlechten Erlebnisse und die guten bleiben.» Und dann packte das Schweizer Team der Ehrgeiz. «Wir wussten, dass es ein ähnliches Rennen gibt. Und wir wollten es noch einmal versuchen.»
Auf die Idee mit den Ruderwettkämpfen kamen die vier Männer durch die SRF-Doku «Rudern am Limit». Er habe sofort zugesagt, als er von einem späteren Teamkollegen angefragt wurde, erinnert sich Samuel Widmer.
Brutales Training hilft auf See
Wie bereits vor dem letzten Rennen bereiten sich die vier Ruderer mit einem harten Traning vor. Das sei auch für den Zusammenhalt wichtig, findet Widmer. «Es ist auch eine gute mentale Vorbereitung. Alle sehen, dass jeder mitreisst. Und wenn man weiss, dass es im Training schon brutaler war, kann man während des Rennens in weniger schönen Situationen darauf zurückgreifen.»
Auf See gibt es während des Rennens Zwei-Stunden-Schichten. «Zwei Stunden wird gerudert, danach hat man zwei Stunden ‹frei›. In dieser Freizeit wird gegessen und getrunken, geschlafen, man geht auf die Toilette, putzt und repariert das Boot. Und man repariert Sachen an sich selber – Pflaster auf die Wunden kleben. Das macht man 24/7 bis man wieder an Land ist.»
Ich habe gemerkt, dass Kotzen und Rudern gleichzeitig geht. Das gab mir Sicherheit.
Nach etwa einer Woche habe er sich auch an den Schlafrhythmus gewöhnt, erzählt Samuel Widmer. «Man hat nicht viel zu wenig Schlaf. Es sind zusammengezählt doch fünf bis sechs Stunden.»
Aufwachen mitten in der Nacht sei trotzdem mühsam. «Am Morgen um drei Uhr aufstehen und Rudern ist nie schön. Da gibt es immer den inneren Schweinehund und 1000 Ausreden, warum man nun nicht raus soll. Aber das ist dann halt Disziplin.»
17 Kilo leichter trotz täglich 6000 Kalorien
Das Rennen über die Ozeane verlangt den Ruderern körperlich viel ab. Täglich nehmen sie 6000 Kalorien zu sich. Trotzdem hat Samuel Widmer beim letzten Mal 17 Kilogramm Gewicht verloren. Dabei habe er aber nicht nur Körperfett, sondern auch Muskeln und damit Kraft abgebaut.
Mit der Zeit befinde man sich aber in einem Überlebensmodus. «Man gewöhnt sich an den Tag und versucht die Stunden und Schichten bestmöglich durchzubringen.»
Keine Probleme machte Widmer während des Rennens die Seekrankheit – anders als beim Training auf dem Mittelmeer. «Es war ein bisschen mühsam. Aber ich habe gemerkt, dass Erbrechen und Rudern gleichzeitig geht. Das war nicht so toll, gab mir aber mental eine mega Sicherheit. Ich wusste danach, dass ich es könnte.»