Sie sind laut der Weltgesundheitsorganisation WHO eine der zehn grössten Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit: Bakterien, die gegen Antibiotika resistent sind. Die WHO schätzt, dass jedes Jahr 1.3 Millionen Menschen sterben, weil Antibiotika bei ihren Infektionen nicht anschlagen.
Suche im Flusswasser, Abwasser und im Kot von Zootieren
Im Kampf gegen diese Bakterien liefert nun eine Schülerin aus Münchenstein BL in ihrer Maturaarbeit spektakuläre Erkenntnisse. Sie hat unter anderem im Kot von Zootieren sogenannte E.-Coli-Phagen entdeckt, die bislang unbekannt waren. Phagen sind Viren, die wiederum Bakterien bekämpfen und im Körper bereits vorhanden sind. «Phagen passen sich ständig an. Dies ist der grosse Vorteil gegenüber Antibiotika», erzählt Artico. Sie seien deshalb eine sehr gute Alternative gegen Medikamente.
Vor rund zwei Jahren hatte die Gymnasiastin im Rahmen eines Vortrags zum ersten Mal von diesen Bakterienviren gehört und seither hat sie das Thema nicht mehr losgelassen. Sie entschied deshalb, ihre Maturaarbeit zu diesem Thema zu machen und durfte im letzten Sommer sogar an der ETH Zürich dazu forschen. Bei ihren Untersuchungen hat sich die 19-Jährige auf E.-Coli-Bakterien, also Darmbakterien, konzentriert: «Ich habe an verschiedenen Orten nach Darmbakterien gesucht: im Abwasser, aber auch im Flusswasser und eben im Kot von Zootieren.»
Bei diesen Untersuchungen gelang ihr dann ein Durchbruch. Sie fand neun bisher unentdeckte Phagen. Von diesem Resultat sei sie selber überrascht gewesen. Und nicht nur das: Nora Artico erhielt eine Auszeichnung der Stiftung «Schweizer Jugend forscht» und darf am «European Union Contest for Young Scientists (EUCYS)», einem Wettbewerb für Nachwuchsforschende der EU, teilnehmen.
Wir verstehen besser, wie Phagen den Schutzmechanismus der Bakterien überwinden können.
Beeindruckt von den Ergebnissen der Maturaarbeit ist auch Enea Maffei, Postdoktorand an der ETH Zürich und spezialisiert auf Phagenbilogie. Maffei hatte die Jungforscherin während drei Wochen bei ihrer Arbeit an der ETH begleitet. Er will nun an ihren Ergebnissen weiterforschen und sie später in eine wissenschaftliche Publikation einfliessen lassen. «Wir verstehen dank der Arbeit besser, wie Phagen den Schutzmechanismus der Bakterien überwinden können», sagt Maffei.
Schon als Kind im Labor
Ihre Begeisterung für Biologie und Chemie wurde Nora Artico praktisch in die Wiege gelegt. Schon als Kind kam sie mit dem Thema in Kontakt: Ihr Vater ist Ausbilder von Chemielaboranten in der Region Basel und auch ihre Mutter arbeitete im Pharmaziebereich. «Ich war schon als kleines Kind im Labor und hatte Interesse an Biologie und Chemie», erzählt die Maturandin.
Es wäre sehr cool, wenn meine Phagen mal Leben retten würden.
Für sie ist denn auch jetzt schon klar, dass auch sie mal in einem Labor arbeiten möchte. Die 19-Jährige will nach ihrer Matur Medizin studieren und in der klinischen Forschung arbeiten. Ob sie auch in Zukunft an Phagen tüftelt, lässt sie noch offen. Aber: «Es wäre sehr cool, wenn meine Phagen mal Leben retten würden.»
Jetzt zuerst mal abschalten
Vor ihrer Forscherinnenkarriere stehen aber noch die Abschlussprüfungen am Gymnasium Münchenstein an und im September geht es nach Polen an den europäischen Wettbewerb für Nachwuchsforschende. «Dann will ich nach 13 Jahren Schulstress zuerst einmal abschalten, arbeiten und Geld verdienen.»