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Schweizer Käse Löcher im Emmentaler werden zukünftig künstlich herbeigeführt

Das Bundesverwaltungsgericht erlaubt es Emmentaler-Produzenten, der Milch für grössere Löcher im Käse Heublumenpulver beizufügen. Geht das in Richtung industrielle Produktion – oder zurück zur Tradition?

Sibilla Bondolfi

Gerichtskorrespondentin

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Sibilla Bondolfi ist seit 2023 Gerichtskorrespondentin von Radio SRF. Davor hat sie für den zehnsprachigen Online-Dienst Swissinfo gearbeitet. Sie ist promovierte Juristin im Bereich Verfassungsrecht und Menschenrechte.

Warum wird über die Löcher im Emmentaler gestritten?

Früher geriet beim Melken Heustaub in die Milch, was zu den charakteristischen grossen Löchern im Käse führte. Seit das Melken hygienischer ist, hat der Käse immer weniger Löcher und die Löcher werden immer kleiner. Deshalb fügen manche Käser der Milch Heublumenpulver bei. Sie verunreinigen die Milch quasi künstlich, um wieder Löcher im Käse zu haben. Die Schweizer Emmentaler-Produzenten durften das bisher nicht machen, im Unterschied zu Herstellern von französischen und deutschen Emmentalern sowie den Produzenten anderer Käsesorten. Der Grund dafür war, dass der Hilfsstoff Heublumenpulver im Pflichtenheft der geschützten Ursprungsbezeichnung nicht aufgeführt war. Die Sortenorganisation Emmentaler Switzerland hat vor Gericht eine Änderung erkämpft.

Was sagten die Parteien an der Gerichtsverhandlung?

Das Bundesamt für Landwirtschaft argumentierte, die Zugabe von Heublumenpulver sei keine traditionelle Herstellung mehr. Ein Emmentaler müsse sich vom industrialisierten Grosslochkäse wie einem Edamer unterscheiden, das könne man als Konsument bei einer geschützten Ursprungsbezeichnung erwarten. Die Bauern müssten nicht wieder von Hand melken, aber es gelte, ein Gleichgewicht zwischen traditioneller Herstellung und Innovation zu finden.

Die Sortenorganisation Emmentaler Switzerland konterte, das Bundesamt verfolge eine romantisierende und ideologische Politik – losgelöst von wissenschaftlichen Grundlagen. Es gehe nicht darum, die Reputation des Emmentalers zu gefährden, sondern im Gegenteil darum, die Tradition der grossen Löcher zu erhalten.

Was hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden?

Das Gericht lockert die Herstellungsvorschriften und erlaubt es den Schweizer Emmentaler-Produzenten, zukünftig Heublumenpulver zu verwenden. Es argumentiert, dieses Pulver sei zwar kein traditionelles Mittel, aber es stelle ein ursprüngliches, traditionelles Merkmal des Emmentalers wieder her, nämlich die grossen Löcher. Es bestehe keine Gefahr, dass die Käseherstellung durch das Pulver industrialisiert werde.

Käse mit Löchern
Legende: Zu einem Emmentaler gehören grosse Löcher. PPR / Patrick Huerlimann

Wird der Emmentaler so nicht industrialisiert?

Heublumenpulver ist ein natürlicher und gesundheitlich unbedenklicher Zusatzstoff. Zwar haben Käser das Pulver historisch nicht verwendet, aber es kam sozusagen natürlich in der Stallluft vor – in Form von Heupartikeln. Insofern könnte man also sagen, dass die künstliche Zugabe eine Annäherung an frühere Produktionsbedingungen ist.

Bei anderen Käsesorten wird das Pulver bereits verwendet und die Konsumentinnen und Konsumenten scheinen damit kein Problem zu haben. Hingegen sind laut Händlern fehlende Löcher – obwohl geschmacklich irrelevant – durchaus ein Problem für die Konsumentinnen und Konsumenten.

Stellungnahme der Stiftung für Konsumentenschutz

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Josianne Walpen, Leiterin Ernährung, schreibt:

«Es ist erfreulich, dass die Hygiene in den Ställen derart besser geworden ist, dass kaum mehr (Heu-)staub-Partikel in die Milch gelangen. Zudem ist der Emmentaler ein wichtiges traditionelles Produkt, das sich gegen industriell hergestellten Käse behaupten muss. Von daher sind wir überzeugt, dass die Konsumentinnen und Konsumenten Verständnis dafür haben, dass dem Emmentaler GUP Heublumenpulver zugefügt wird: Umso mehr, da es sich um einen natürlichen Zusatzstoff handelt, der früher über einen anderen Weg in die Milch und damit in den Käse gelangt ist. Hingegen kann der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichtes in Zukunft als Präzedenzfall gelten und Begehrlichkeiten wecken, weitere neue Verfahren durchzusetzen, welche der traditionellen Herstellungsweise widersprechen.»

Wie geht es weiter?

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist zwar eine Art Leitentscheid, aber noch nicht rechtskräftig. Es kann ans Bundesgericht weitergezogen werden. (Bundesverwaltungsgericht B-6947/2023)

SRF 4 News, 11.4.2025, 12 Uhr ; 

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