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Bersets Erklärung zu «Kriegsrausch» an der HSG St. Gallen
Aus 10 vor 10 vom 14.03.2023.
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Schweizer Neutralität Bersets «Kriegsrausch»-Aussage: Ein Patzer kann es nicht sein

Als Bundespräsident verkörpert Alain Berset den Gesamtbundesrat. Dieser lehnt indirekte Waffenlieferungen an die Ukraine ab. Das soll und muss Berset gegen aussen vertreten. Es steht ihm sogar frei, ausdrücklich klarzumachen, dass er diese Position persönlich teilt – was er im Interview mit der «NZZ am Sonntag» getan hat.

Aber mit seiner Aussage, dass er bei «gewissen Kreisen» einen «Kriegsrausch» spüre, fiel Berset aus seiner Rolle. Indem er unbestimmt liess, wen er eines Kriegsrauschs bezichtigt, brüskierte er nicht nur Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Sondern auch europäische Partnerstaaten.

Die Schweiz tut sich schwer

Die Regierung hat derzeit Mühe, ihren sicherheitspolitischen Partnern die Schweizer Position zu erklären. Verteidigungsministerin Viola Amherd sagte dazu: Viele ihrer Gesprächspartner verstünden, dass die Schweiz keine Waffen direkt an die Ukraine liefern kann. Aber sie verstünden nicht, warum die Schweiz den Nato-Staaten die Weitergabe von Waffen verbietet.

Die europäischen Partner in einer solchen Situation indirekt eines «Kriegsrauschs» zu bezichtigen, dürfte fürs Verständnis und die bilateralen Beziehungen nicht gerade förderlich sein.

Die Rolle des Bundespräsidenten kann zu Beginn schwierig sein, wenn man als Bundesrat kaum Berührungspunkte mit dem Ausland hat. Doch Berset kann keine Anfangsschwierigkeiten geltend machen.

Er galt immer als Anwärter fürs Aussendepartement, hat sogar die Diplomatenprüfung bestanden, bevor er seine Politkarriere begann. Und er ist bereits zum zweiten Mal Bundespräsident. Eine Rolle, in der er sich beim letzten Mal nicht nur gefiel, sondern auch viele überzeugte. Von Berset erwartet man keine unüberlegten Aussagen auf dem internationalen Parkett.

Unüberlegt? Wohl kaum

Wenn also einer wie Berset, der noch dazu als versierter Stratege gilt, öffentlich von einem Kriegsrausch spricht und sagt, er beobachte diesen «in vielen Ländern», kann das eigentlich keine unüberlegte Aussage sein.

Zumal der Bundespräsident bereits Anfang März in einem Interview mit der Westschweizer Zeitung «Le Temps» von einer «ivresse de la guerre» sprach. In der «NZZ am Sonntag» temperierte er die Aussage dann nicht etwa hinunter, sondern wiederholte sie und stellte noch dazu einen Vergleich mit der Zeit vor dem 1. Weltkrieg an.

Dieser hinkt nur schon, weil es damals noch keine Atomwaffen gab. Letztere zwingen derzeit die westlichen Staaten zu einer gewissen Zurückhaltung – zumindest, was die Lieferung von Angriffswaffen oder die Unterstützung durch Bodentruppen angeht. Und dürften einen allfälligen «Kriegsrausch» wohl dämpfen.

Keine Präzisierung, keine Erklärung

Bersets Intention ist unklar. Wollte er Staaten wie Deutschland, die beim Kriegsmaterial Druck auf die Schweiz ausüben, in ihre Schranken weisen - und aus der Schweizer Verteidigungsposition in den Gegenangriff übergehen? Das erscheint am plausibelsten. Doch die Strategie ist riskant, international wie national.

Im Wahljahr dürfte die offensichtliche Differenz zwischen Berset und der SP-Spitze den Sozialdemokraten kaum helfen. Berset hat ziemlich sicher unterschätzt, welch heftige Reaktionen seine Aussage bei einer Mehrheit der Schweizer Parteien, inklusive seiner eigenen, auslösen würde. Trotzdem tut er nun erstmal, was er meistens tut, wenn er in Kritik gerät: Er sagt nichts weiter, verzichtet auf Erklärungen oder Präzisierungen.

Ob Berset im Interview auch als pazifistisch denkender SP-Bundesrat auftritt oder nur als Bundespräsident und ob er versucht, diese Rollen abzugrenzen, ist unklar. Es ist aber auch unwichtig. Denn die Aussagen eines Bundespräsidenten werden nun einmal gleichgesetzt mit der offiziellen Position der Schweiz.

Als solche dürften sie weiter zu reden geben – nicht nur in der Schweiz, sondern auch international. In einer Situation, in der die Schweiz als neutraler Staat ohnehin abseits steht und vielerorts des Opportunismus bezichtigt wird, macht der Bundespräsident die Ausgangslage nicht einfacher.

Larissa Rhyn

Bundeshausredaktorin

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Larissa Rhyn ist Bundeshausredaktorin des Schweizer Fernsehens. Zuvor arbeitete sie zwei Jahre in derselben Funktion für die Neue Zürcher Zeitung. Sie hat in Zürich und Genf Politikwissenschaften, Geschichte und Internationale Beziehungen studiert.

Tagesschau, 13.03.2023, 19:30 Uhr

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