Der Bundesrat ist dagegen, dass europäische Staaten Schweizer Waffen an die Ukraine weitergeben können. Im Parlament sind viele Parteien im Grundsatz dafür. Diese Differenz ist schon länger klar.
Nun aber hat Bundespräsident Alain Berset in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» gesagt, er nehme bei «gewissen Kreisen» einen «Kriegsrausch» wahr. Dies erinnere ihn an die Situation vor dem Ersten Weltkrieg. Für diese Aussagen steht Berset aktuell besonders unter Beobachtung – von internationalen Medien, wie der «Financial Times», aber auch vom Parlament. Dort hagelt es Kritik.
FDP-Parteipräsident Thierry Burkart ist schockiert. Bundespräsident Berset «spricht von Kriegsrausch, meint damit aber nicht Russland, das ein souveränes Land angegriffen hat, sondern die westlichen Staaten». Das sei alles andere als neutral. Und Burkart ist überzeugt: «Das schadet dem Ansehen und der Positionierung unseres Landes.»
Mitte-Parteipräsident Gerhard Pfister spricht von einem gefährlichen Narrativ. Es sei das Narrativ derjenigen, die sich in diesem Konflikt klar auf die Seite Russlands stellen und die alle Bemühungen zur Verteidigung der Ukraine als Kriegstreiberei qualifizieren würden. «Indem Bundespräsident Berset einfach den Vorwurf so im Raum stehen lässt, macht er etwas, das ich für einen Bundespräsidenten als sehr problematisch empfinde», so Pfister.
Auch der Parteipräsident der Grünliberalen, Jürg Grossen, stört sich an der Wortwahl des Bundespräsidenten: «Er bezichtigt damit die Parteien, die für indirekte Waffenlieferungen sind, eines Kriegsrausches.» Grossens Meinung nach gehe es aber um etwas anderes: «Es gibt hier Herrn Putin, einen Aggressor, der die Ukraine auf ihrem Territorium angreift – ein Völkerrechtsbruch, ein krasser.» Dass man sich überlege, wie man dem Schwächeren hilft, sei noch lange kein Kriegsrausch.
Sogar aus der eigenen Partei wird Bundespräsident Berset kritisiert. SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann weist den Vorwurf des Kriegsrausches zurück: «Nicht in der Schweiz ist man in einem Kriegsrausch, sondern Herr Putin ist in einem Kriegsrausch.» Dieser habe den Krieg gestartet und gegen Völkerrecht verstossen. «Das ist das Hauptproblem.»
Rückhalt bekommt SP-Bundesrat Berset hingegen von ungewohnter Seite: SVP-Parteipräsident Marco Chiesa erachtet die Position des Bundespräsidenten als «vernünftig». «Das Neutralitätsrecht ist klar: Keine Waffen an Kriegsparteien.» Chiesa betont, dass die Neutralität eine der wichtigsten Werte der Schweiz sei. «Sie hat Sicherheit, Wohlstand und Freiheit gebracht.»
Unterstüzung gibt es für den Bundespräsidenten auch von der Bewegung Mass-voll, die am Wochenende für Frieden demonstriert hat. Bersets Kritiker aus Pandemie-Zeiten geben ihm plötzlich Rückhalt.