Das Wichtigste in Kürze
- Flugreisen schaden dem Klima enorm. Und dennoch wird heute so viel geflogen wie noch nie.
- Ein Grund für die Vielfliegerei sind die Discounterpreise für Flugtickets. Möglich machen dies unter anderem spezielle Privilegien der Flugbranche, zum Beispiel massive steuerliche Begünstigungen. Ausserdem werden viele Kosten von der Allgemeinheit und nicht vom Verursacher getragen.
- Wie würden die wahren Kosten für ein Flugticket aussehen? «Kassensturz» hat mit Experten der ETH Zürich gerechnet.
- Abhilfe schaffen soll das internationale Abkommen zum CO2-Kompensationssystem CORSIA. Klimaforscher sind jedoch kritisch, da es sich lediglich um eine Kompensation und nicht um eine Reduktion handelt.
Betrachtet man den CO2-Austoss, gibt es kaum einen grösseren Umweltsünder als die Fliegerei. Die Auswirkungen auf den ökologischen Fussabdruck sind enorm wie dieses Beispiel zeigt:
Ein umweltbewusster Vegetarier, der nur mit dem Velo fährt, verursacht 3,3 Tonnen CO2 pro Jahr. Mit nur einem Kurz- und Langstreckenflug erhöht sich sein Fussabdruck sofort auf 8 Tonnen.
Und dennoch wird geflogen wie nie. Allein in den letzten 20 Jahren haben sich die Passagierzahlen weltweit verdoppelt. Die Schweizer Flughäfen zählten letztes Jahr 54,9 Millionen Passagiere, was im Vergleich zu 2005 einer Zunahme von 73 Prozent entspricht.
Sonderrechte aus den 50er-Jahren gelten immer noch
Ein Grund für die enorm steigenden Passagierzahlen sind die Discountpreise bei den Flugreisen. Für 22 Franken nach London und zurück oder für 450 Franken nach New York und nach Hause – solche Schnäppchen sind ein Grund für das grassierende Reisefieber. Reto Knutti, Klimaforscher an der ETH Zürich, steht diesen Preisen kritisch gegenüber: «So günstige Angebote widerspiegeln die Kostenwahrheit nicht. Wir zahlen definitiv nicht für die gesamten Auswirkungen, die das Fliegen auf Gesellschaft und Umwelt hat.»
Dass das Fliegen so billig ist, hat zu tun mit speziellen Privilegien, die die Flugbranche seit Jahrzehnten geniesst. Zu Beginn wurden die Airlines von vielen Steuern und Abgaben befreit, um die Wirtschaft anzukurbeln. Diese Privilegien haben bis heute gehalten. So ist Kerosin für internationale Flüge komplett steuerfrei, und auf Flugtickets gibt es keine Mehrwertsteuer. ETH-Umweltökonomin Renate Schubert folgert: «Die Fliegerei kommt so viel günstiger weg als andere Mobilitätsformen. Zudem werden die verursachten Kosten von der Allgemeinheit bezahlt und nicht vom Verursacher.»
Die wahren Ticketkosten wären mindestens doppelt so hoch
Wie viel das Fliegen tatsächlich kosten müsste, berechnete eine Expertin der ETH Zürich zusammen «Kassensturz». Für Umweltökonomin Renate Schubert blenden die heutigen Flugpreise viele Kosten aus. Zwei Beispiele:
Würde man das Kerosin versteuern, eine CO2-Abgabe erheben und auf die Tickets die Mehrwertsteuer aufschlagen, wäre der neue Ticketpreis deutlich höher.
Ein weiteres Beispiel macht deutlich: Auch Langstreckenflüge sind einiges zu günstig. Das zeigt diese Berechnung eines Swiss-Fluges nach New York:
Nach Aufschlag von Kerosinsteuer, CO2-Abgabe und Mehrwertsteuer resultiert ein doppelt so hoher Totalpreis.
Internationales Programm gegen CO2-Wachstum in der Kritik
Die Fluggesellschaft Swiss ist nicht per se gegen höhere Ticketpreise, verweist aber auf den starken, internationalen Konkurrenzdruck. Für Fortschritte im Klimaschutz brauche es einen globalen Ansatz. Und dieser ist im Anflug: Die Mitgliederstaaten der UNO-Luftfahrtorganisation ICAO beschlossen, das globale CO2-Kompensationssystem CORSIA (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation) als Klimaschutzinstrument einzuführen.
Für die Fluggesellschaften ist eine Teilnahme vorerst noch freiwillig. In der Schweiz ist das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) zuständig für die Umsetzung. Aber auch CORSIA wird die Fliegerei nicht bremsen, gibt BAZL-Sprecher Urs Holderegger zu verstehen: «Die internationale Luftfahrt ist ein starker Wachstumsmarkt, der noch längere Zeit auf fossile Brennstoffe angewiesen ist. Mit dem CORSIA-Verfahren wird ab 2021 das CO2-Wachstum aber kompensiert.»
Klimaforscher Reto Knutti begrüsst das Abkommen – wenn auch mit Vorbehalt: «Es ist sehr positiv, dass der Flugsektor das Problem adressieren will und dass man weltweit koordiniert vorgeht. Aber die Kompensation von Emissionen an einem anderen Ort ist nicht wirklich eine Lösung, sondern eine Verlagerung.»
Ohne politische Massnahmen bleiben die Passagierzahlen weiter im Steigflug. Schlechte Aussichten für das Klima.