Zwei Schwestern gehen in die Politik und schaffen kurz nacheinander den Sprung in eine Kantonsregierung: ein eher unwahrscheinliches Szenario, könnte man meinen. Doch am Sonntag ist genau dies eingetroffen. In Zug wurde die 31-jährige Laura Dittli in den Regierungsrat gewählt – ein halbes Jahr, nachdem ihre 29-jährige Schwester Valérie Dittli in die Regierung des Kantons Waadt gewählt worden war.
Politisiert wird schon am Küchentisch
Ihren Anfang nehmen die beiden Politkarrieren auf dem Hof Vorderschneit im zugerischen Oberägeri. Der Vater ist Bio-Bauer, die Mutter Sozialarbeiterin, Politik ist häufig ein Thema am Küchentisch. «Viele Entscheide der Politik wirken sich direkt auf die Bauern aus, etwa der Milchpreis», sagt Laura Dittli.
Sie habe es schon als Kind als ungerecht empfunden, wie viel ihre Eltern arbeiteten, und wie wenig für sie dabei herausschaute. «Darum wollte ich schon früh Einfluss nehmen, um Dinge zu verändern.»
Selber anpacken, damit sich etwas verändert – dies hat sich auch Valérie Dittli auf die Fahne geschrieben. Sie erklärt sich dies mit ihrer Kindheit auf dem Bauernhof, wie sie Ende September im «Tagesgespräch» von Radio SRF sagte: «Ich stamme aus einem Umfeld, in dem grossen Wert auf Eigenverantwortung gelegt wurde.»
Die ältere Schwester legt los, die jüngere überholt
Laura Dittli ist jene, die sich als erste politisch engagiert. 2014 lässt sie die 23-jährige Jus-Studentin für die damalige CVP aufstellen und wird ins Zuger Kantonsparlament gewählt. 2018 wird sie wiedergewählt, 2019 übernimmt sie das Präsidium der heutigen Mitte-Partei. Daneben arbeitet sie als Anwältin, engagiert sich im Blasmusikverband, präsidiert die Harmoniemusik Oberägeri. Als sie in die Regierung gewählt wird, ist sie mit 31 Jahren bereits eine erfahrene, bestens vernetzte Kantonspolitikerin.
Bei der jüngeren Schwester Valérie zeichnet sich dieser Weg zunächst weniger deutlich ab. Doch als sie für ihr Jus-Studium nach Lausanne zieht und feststellt, dass es dort keine nennenswerte CVP mehr gibt, geht es plötzlich schnell. Sie reaktiviert die Partei und wird 2020 Parteipräsidentin. Möglicherweise habe sie ihre jüngere Schwester mit der Politik angesteckt, sagt Laura Dittli.
Möglicherweise habe ich meine jüngere Schwester mit der Politik angesteckt.
Valérie Dittli gilt bald als durchsetzungsstarke Persönlichkeit. Im April dieses Jahres tritt sie 29-jährig zu den Regierungswahlen an – und wird mit Unterstützung von FDP und SVP gewählt, ohne jemals ein politisches Amt innegehabt zu haben.
Beide Schwestern bezeichnen sich selber als «ehrgeizig» und «kämpferisch»; halbe Sachen sind nicht ihr Ding. Doch bei allen Ähnlichkeiten gibt es auch Unterschiede – vor allem auch, was nun ihr Regierungsarbeit betrifft.
«Kein Wettrennen in den Bundesrat»
Valérie Dittli, Waadtländer Finanz- und Landwirtschaftsdirektorin, verfügt über keine Hausmacht im Parlament: Ihre Partei, die Mitte, hat im Parlament keinen einzigen Sitz, sie ist auf ihre Verbündeten von FDP und SVP angewiesen.
Laura Dittli im Kanton Zug dagegen sitzt als Vertreterin einer staatstragenden Partei in der Regierung: Im siebenköpfigen Regierungsrat hat die Mitte-Partei drei Sitze, im Parlament ist sie mit 19 Sitzen die grösste Fraktion.
Beide Schwester wollen sich mit Ratschlägen zur Seite stehen, Konkurrenzdenken sei ihnen beiden fremd, sagt Laura Dittli. Und schmunzelt: «Es gibt auch kein Wettrennen zwischen uns, wer zuerst Bundesrätin wird.»